Vahnerow 22.9.58

Lieber Lehndorff.

Ihre freundlichen Zeilen nebst geschmackvollem Angebinde haben uns mehr erfreut, als Sie aus dem späten Dank schließen können.

Vor allem hat uns das Freude gemacht, dass Sie sich wirklich noch nach Wochen in so herzlicher Weise unser erinnert haben. Sie sind also eine Ausnahme von der Regel: „Aus den Augen, aus dem Sinn!“ – und das kann man nicht hoch genug schätzen.

Freilich habe ich mich überzeugt, dass man in Ihrer Gegenwart vorsichtig sein muss, Wünsche zu äußern. Hätten wir das Bedürfnis ausgesprochen, Steinort zu besitzen, so bin ich überzeugt, der Besitztitel wäre jetzt schon längst auf mich berichtigt.

Diesen Herbst bin ich leider nicht im Stande, Ihrer verlockenden Einladung zu folgen, da ich in Familienangelegenheiten nach Baden reisen muss. Einmal komme ich aber – so Gott will.

Mein  Reinhold August von Thadden
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Bruder
ist jetzt auf längere Zeit hier, und da er im Grunde des Herzens ernst und fest geworden ist noch viel liebenswürdiger als damals, wie Sie ihm Ihre Freundschaft schenkten. Wie schade, dass Sie ihn jetzt nicht sehen können.

Das Wetter ist sehr trocken und die Hasen laufen viel schneller als meine Windhunde. – Das sind die politischen Nachrichten von hier!

Haben Sie nochmals Dank, empfehlen Sie uns mit Aufbietung aller Ihrer – ich weiß, was das sagen will – Liebenswürdigkeit Ihrer Frau Gemahlin und behalten Sie die Villa Eugenia in Vahnerow in gutem Andenken.

Ihr aufrichtig ergebener

Gerhard v. Thadden

Zitierhinweis

Gerhard von Thadden an Carl Meinhard Graf von Lehndorff. Vahnerow, Villa Eugenia, 22. September 1858. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_ngl_1mg_hdb