Rhein, den 13. Juni 1881

Hochgeborene Frau,
Gnädigste Gräfin und Frau!

Euer Hochgeboren haben fort und fort mich mit Sendung von ausgezeichneten Blättern, die ganz mit meinem Streben übereinstimmen, beehrt und erfreut und wollen mir huldvoll gestatten, Hochdenselben meinen untertänigsten Dank dafür hiermit herzlichst zu äußern.

Jetzt aber muss ich leider mit einer kleinen Bitte kommen. Nachdem wir von Fräulein Brückhändler Lose für das Angerburger Siechenhaus empfangen und untergebracht, erhielten wir unter dem 23. Februar dieses Jahres 32 Lose von No. 1209 bis 1240, die wir sofort unterzubringen und 16 M Herrn Superintendenten Braun, der sie gesendet, einzusenden die Freude hatten. Nach längerer Zeit holten wir die Sachen gelegentlich von Lötzen ab, leider aber ist uns die Gewinnliste abhanden gekommen, welche den Sachen beilag. Dieser Zwischenfall hängt damit zusammen, dass bei Eintreffen der Sachen und der Gewinnliste die Liste der Besitzer der Lose sich in der sicheren Verwahrung meiner inzwischen verreisten Frau befand, die erst gestern von einem längeren Besuch einer Tochter nach Hause gekommen ist. Da das angestrengteste Suchen nach der Gewinnliste vergeblich gewesen, wollen Ew. Gräfliche Gnaden die untertänigste Bitte verzeihen, Hochdieselben wollten eine Abschrift der schon geschickten Gewinnliste uns zusenden und die trotz des kleinen Gegenstandes doch große Nachlässigkeit mir zu verzeihen die hohe Güte haben. Die Gewinne werden die Empfänger sehr erfreuen.

Bei Gelegenheit einer Auskunft über den früheren Lehrer Lemcke, die ich auf den durch ebendenselben mir mitgeteilten Wunsch des Herrn Grafen, Ihres Herrn Gemahls, Hochdemselben treulich zu erstatten mich beeile, hatte ich auch die Kühnheit, um des Herrn Grafen Fürwort an Allerhöchster Stelle für das von uns ausgegangene Immediatgesuch um ein Allerhöchstes Gnadengeschenk zu Glasmalereien für die Altarfenster der hiesigen Kirche zu bitten. Der Befürchtung, dass Herr Graf meine Bitte übel genommen haben, gebe ich nicht Raum, da ich mir bewusst bin, hierin nur Gott die Ehre geben zu wollen, und da ich weiß, welches menschenfreundliche Wohlwollen Ihres Herrn Gemahls Herzen innewohnt. Wenn nur der Wille Gott wohlgefällig ist, der Erfolg steht in Gottes Hand.

 Vgl. D. Carl Gottfried Pfannschmidt. Ein deutsches Künstlerleben. dargestellt von Martin Pfannschmidt ..., Stuttgart 1896. Siehe auch: APO, 42/367 Provinzialkonservator der Denkmäler der Kunst und der Geschichte der Provinz Ostpreussen, Nr. 780: Entwurf zu einem Glasfenster in der Taufkapelle.
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Der Herr Professor Pfannschmidt hat eine farbige Skizze von den projektierten Glasmalereien angefertigt,
welche in dem obersten Fenster den erhöhten Christus, der allein würdig ist, die Siegel der Offenbarung zu lösen, mit der Offenbarung, dem Alpha und Omega, in dem linken der unteren Moses mit der ehernen Schlange, Johannes den Täufer und darunter die Geburt Christi mit den Hirten, in dem rechten Johannes den Apostel, St. Michael mit dem Drachen und darunter die Grablegung des Jesus darstellen. Geburt und Grablegung nehmen je die beiden untersten Fensterhälften ein, sind aber noch einmal so niedrig, als die lebensgroßen vier Männergestalten, welche die Mitte der beiden Fenster einnehmen. Der oberste Teil jedes Fensters ist mit einer den Kreuzblumenspitzen unseres Altars ähnlichen Architektonik malerisch ausgefüllt, über welcher in dem Ringe der gotischen Spitze des einen Fensters sich der Hirsch des Wappens der hohen Oberin von Bethanien, die hier im Dienst der Kranken den Todeskeim empfangen, dem anderen die einfachste Form des Johanniterkreuzes sich befindet.

Möchte diese nach meinem Urteil bewundernswerte Komposition des großen Meisters bei Seiner Majestät Gnade finden!

Mit der lautersten Ehrerbietung empfehle mich und die meinigen Höchstderselben Wohlwollen und verharre Eurer Gräflichen Gnaden gehorsamster Diener

Cludius

Zitierhinweis

Carl Eduard Cludius an Anna Gräfin von Lehndorff. Rhein, 13. Juni 1881. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_qwg_2s4_jdb