Steinort, den 18. Januar 1785

Hochwürdiger und Hochgeborener Reichsgraf!
Gnädigster Graf und Herr!

Heute nachmittag bin Gottlob! glücklich von Königsberg zurückgekommen, aber wohl 2 bis 3 Tage später als ich es wünschte und vermutete. Ich war in Königsberg wegen meiner Gesundheit übel dran. Kaum hatte ich das Getreide dem Kaufmann überliefert, so musste medizinieren und konnte nicht ausgehen. Sobald ich mich nur wagen konnte, trat ich die Rückreise an, und befinde mich jetzt wieder besser, habe auch (dem gütigen Gott sei dafür Dank) hier alles gut gefunden. Für den Weizen habe pro Scheffel 4 Rtlr. 21 Gr., Roggen 2 Rtlr. 12 Gr., weiße Erbsen 2 Rtlr. 18 Gr. und grüne 2 Rtlr. erhalten. Weil noch zu wenig Schnee, so sind unsere Leute fast alle mit Wagen in der Stadt gewesen. Ich konnte den Getreideverkauf aber nicht länger verschieben, weil ich befürchtete, dass die Preise noch mehr fallen würden.  Damit war Lehndorff nicht zufrieden, vgl. Rhenius Brief vom 14. Februar 1785, ebd., Bl. 34-35v. Es müsse ein Irrtum vorliegen, wenn Lehndorff vom Grafen von Dönhoff erfahren habe, dass höhere Preise zu erzielen gewesen seien. Früher hätte er keine Fuhren nach Königsberg schicken können, „um unsere noch schwachen Bauern“ nicht zu überfordern, und um künftig „zu dem Wohlstand der Dönhoffstädtschen Bauern“ zu gelangen. Er habe Korn aus Polen, das auf Schlitten nicht weiter fortgeschafft werden konnte, günstig angekauft und hoffe, es mit Gewinn weiterverkaufen zu können.
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Überhaupt habe für alle Getreide 886 Rtlr. und für 80 Scheffel a 15 Gr. 13 Rtlr. 30 Gr. eingenommen
und sogleich 900 Rtlr. in die Königliche Banque gelegt.

In Landkeim habe ohngeachtet meiner Unpässlichkeit doch einen Besuch gemacht, aber keinen zum Ausheben tüchtigen Knaben gefunden. Der Sohn des Husars Puschke und   Verschiedene Mitglieder der Familien Puschke und Poltzien lassen sich sowohl in Steinort als auch in Landkeim (Kreis Fischhausen) nachweisen. Möglicherweise war der erwähnte junge Puschke, der Enkel von Christoph Puschke (geb. um 1700). Dieser hatte einen Sohn, den ca. 1735 geborenen Husaren Puschke, dessen Sohn war 1785 noch ein Schuljunge. Ein aus Steinort gebürtige Christoph Poltzien ging 1749 mit der Tochter von Christoph Puschke aus Landkeim, Maria Puschke, die Ehe ein. Er war möglicherweise der Sohn des im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts als Pächter für Labab erwähnten Christoph (Johann) Poltzien (geb. ca. 1675?) (StA L, Bestand 21950 Familienarchiv Lehndorff, Nr. 340), der als „Arrendator Christoph Poltzin aus Labab‟ in den Kirchenbüchern als Pate mehrfach erwähnt wird. Für die Hinweise aus der Datenbank Nord-Masuren danke ich Torsten Woitkowitz.
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der junge Poltzin
scheinen gute Kinder zu sein. Sie gehen aber noch beim Herrn Pfarrer zum Unterricht.

Um hier in Preußen, wenn auch nur vor der Hand, einen Gärtenierer ausfindig zu machen, habe mir alle ersinnliche Mühe gegeben, auch den ehrlichen Bonais in Gerdauen und die ansehnlichsten Gärtenierer in Königsberg gebeten, bei Gelegenheit einen guten geschickten Mann für den hiesigen Garten zu rekommendieren. Herr Bötticher gab mir auch von einem Gärtenierer, der Lust hätte, aufs Land zu ziehen, Nachricht; ich habe ihn gesprochen und er war nicht abgeneigt, hat aber nicht gereiset, sondern hier im Lande die Gärtenerei erlernt; ist verheiratet, heißt Rehan und wohnt im Garten Herrn Doktor Thiesen, hat außer diesem noch einige Gärten in Königsberg unter seiner Aufsicht. Auf 3 Jahre ist er willens einen Kontrakt zu machen. Bei der Rückreise habe mit Bonack wegen diesem Mann gesprochen. Er kennt ihn zwar gar nicht, weil er aber nur hier im Lande die Gärtenerei erlernt, hat er wenig Zutrauen zu ihm und ist anrätig, bis sich ein besseres Subjekt findet, den alten Assmann allein beizubehalten und mit Hilfe zu unterstützen. Zur Nachricht habe mich auch erkundigt, wie hoch Bonack sich in Lohn und Brot stehet. Er bekommt folgendes: 60 Rtlr. bar, 18 Schfl. Korn, 5 Schfl. Haber, 4 Schfl. Gerste, 4 Schfl. Erbsen, 6 Tonnen Bier, ein fett Schwein und Futter auf ein paar Kühe. Sollten Ew. Hochgeboren etwa auf den vorgeschlagenen Rehan zu reflektieren geruhen, so müsste der aber auch mit weniger zufrieden sein, durch Herrn Bötticher würden Hochdieselben ohnmaßgeblich alsdann diese Sache am bequemsten betreiben können.

Wegen der Windmühle habe den Oberbaudirektor Dietrich in Königsberg gesprochen. Er wird einen Anschlag hierher überschicken und künftige Woche erwarte einen Sachverständigen, das Holz auszusuchen und vorzüglich den besten Platz, wo die Windmühle aufgesetzet werden kann, auszumitteln; eine Schneidemühle ist fast gar nicht oder doch mit ungeheuren Kosten anzubringen.

Ein künftiger Rektor ist noch nicht auszumitteln. Ich habe deshalb jetzt auch mit dem Bruder Herrn Probsts in Königsberg gesprochen.

 Zu Töpfermeister Jakob Sensfuss: Braumüller, Bernhard, Angerburg von A-Z. Ein Nachschlagewerk über den Kreis Angerburg, 4. Aufl., Rotenburg (Wümme) 2008, S. 690.
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Der Töpfer Sensfuss in Angerburg kann jetzt wieder arbeiten.

Herrn Hofrat Däne habe in Königsberg angetroffen und wegen Überlassung von Klee-Samen gebeten. Er hat aber selbst keinen, wobei, wie in Gerdauen, nichts erbauet. Dass hier keiner ist, habe in vorigen Briefen die deutlichsten Ursachen untertänig angezeiget. Ein Hauptgrund ist, dass der anno 1783 mitgebrachte Kleewer zu spät hier ankam. und also erst anno 1784 gesät werden konnte, da nun im ersten Jahr kein Samen vom Klee gezogen werden kann, so ist solcher erst künftiges Jahr zu verhoffen, und da können, wenn Gott günstige Witterung schenkt, auch einige 100 Scheffel erbauet werden. Wird aber künftiges Jahr nichts gesät, so ist über 2 Jahre wieder keine Saat.

Das Dienstmädchen Schönfeldtin hat die  Über den Ausbruch der Pocken hatte Rhenius in früheren Briefen bereits geschrieben, demnach hatten sie also auch die Steinortschen Gütern erreicht
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Pocken.
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Die nächste Schüttung im Speicher ist fertig, auch bereits benutzt. Das Gebäude wird von jedermann gelobt, es gibt diesem Dorfe viel Ansehen.  Auf diese Uhr zielte Rhenius Interesse. Er hatte am 15. September 1781 einen Brief von Hay erhalten, in dem dieser den Wert mit 600 Rtlr. angibt, da es sich um keine Kaufmannsware, sondern um eine besondere Uhrmacherarbeit handle, vgl. StA L, Bestand 21950 Familienarchiv Lehndorff, Nr. 382, Bl. 67v.
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Es fehlt darauf nur noch ein kleiner Turm mit einer Uhr, dann wäre es ganz vortrefflich. Der gute würdige Kaufmann Hay hat die aus England verschriebene Uhr noch nicht loswerden können. Wie sehr ich diesen lieben Mann deshalb bedaure, dass weiß Gott! am besten.
Johann Heinrich Schultz, 21 Jahre alt 7 Zoll hoch, aus Gerdauen gebürtig, wo sein Vater, Ratsverwandter und Mältzerbräuer, eigene Gründe besessen, welche nun nach dessen Ableben die Mutter besitzt, hat noch eine jüngere(?) Schwester und einen Bruder von 15 Jahren.

den 19. Januar

 Schultz war Schreiber in Steinort, sein jüngerer Bruder hatte sich sogar „dem Studieren widmen“ wollen. „Weil jetzt gut gezogene junge Leute so selten sind“, hatte auch Kriegsrat Farenheid Interesse, „diesen Burschen gern zur Erlernung der Wirtschaft zu sich (zu) nehmen“. Auch für die Steinortschen Güter könne man ihn gut gebrauchen. „Die Bewirtschaftung von Labab, Stawisken und Louisenstädt wird in Zukunft auch mehr zu tun geben als Pristanien allein.“ Es gäbe genug zu tun, „damit er sein Essen und Trinken reichlich verdienen möchte, denn nur dieses ist in seinen drei Lehrjahren die einzige Depence, er erhält auch keinen Groschen Lohn und muss sich selbst mit Kleidung versorgen.“ Vgl. StA L, Bestand 21950 Familienarchiv Lehndorff, Nr. 382, Bl. 66v-67.
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Herr Schultz ist hier zwar sehr brauchbar und nützlich und hat den edelsten Charakter, in Landkeim aber kann Ew. Hochgeboren ihn gar nicht brauchen, wenigstens wage ich es nicht, dazu anrätig zu sein.
Die Hauptursache ist vorzüglich, dass die dortige Landwirtschaft von der hiesigen so verschieden, als wenn ich nach Mecklenburg versetzt würde, wo ich mich noch eher, da ich etwas darüber gelesen, finden würde. Es ist aber Herr Laddey von Ihro Durchlaucht dem Herzog gänzlich frei, und hat ihm derselbe auch gute Rekommendationes gegeben. Er war eben in Königsberg. Durch Bötticher ließ ich ihn befragen, ob er die Landkeimsche Administration anzunehmen willens, und er ist dazu nicht abgeneigt. Durch Herrn Bötticher würden Ew. Hochgeboren darüber alles nötige abmachen können.

 Hier irrte Rhenius. In seinem Brief vom 12. März 1785 schrieb er, sie sei so stark, dass im Ermland sogar ein Cordon von Husaren daselbst kommandiert ist. Herr v. Kurowski auf Maldeuten hat dadurch all sein Vieh, auch sogar die Mastochsen verloren, Das Amt Bischburg und viele andere Höfe haben ein gleiches trauriges Schicksal, vgl. ebd., Nr. 382, Bl. 66.
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Von der Viehseuche wird es Gottlob! immer stiller.
Menschen aber kranken sowohl hier als in Königsberg.

Übrigens ist Gottlob! alles wohl und empfiehlt sich zu Gnaden. Besonders freut sich der alte gute Hoffmann über das gnädige Andenken. In der Heide wird Brauchholz verkauft. Die Fischerei ist mittelmäßig.

Ich ersterbe mit tiefstem Respekt
Ew. Hochgeboren ganz untertänigster Diener

Rhenius

Zitierhinweis

Wilhelm Rhenius an Ernst Ahasverus Heinrich Graf von Lehndorff. Steinort, 18. Januar 1785. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_rdj_d3y_3bb