19. November 1948
Betr. Herrenloses Gut der Wechselburger Kirche
In Anordnung Ihres Schreibens vom 9.11. haben wir lt. beiliegendem Protokoll vom 16.11. die
beiden eisernen Truhen des herrenlosen Guts aus der Wechselburger Kirche im
Beisein uns erbetener Beamter der Kriminalpolizei öffnen lassen. Diese Behauptung war bereits im Februar 1947 im Zusammenhang mit der
Bergung in Kriebstein aufgestellt worrden.
[Schließen]Es wurde dabei festgestellt, dass das aus Steinort, Kr. Angerburg/Ostpreußen
stammende Gut aus dem Besitz des Grafen Lehndorff stammt, der am 20. Juli 1944 beteiligt war und
deshalb samt der gesamten Familie ausgerottet wurde. Wie
wir richtig vermuteten, befanden sich in den beiden eisernen Truhen keinerlei
belastende Korrespondenzen aus der Nazizeit, sondern nur schnell
zusammengeraffte Skripturen aller Art aus den Regalen und Schreibkommoden des
gräflichen Besitzes. Dem Inhalt der Truhe I sah man es deutlich an, dass das
Verpacken der Skripturen in höchster Eile geschehen sein musste, denn es lagen
wahllos Briefwechsel, allerhand wertlose aufgehobene Drucksachen wie
Speisekarten von Berliner Hotels, Zeitungsausschnitte unwesentlichen Inhalts u.
a. nebeneinander. In dieser Truhe waren noch einige Die
Tagebücher des Kammerherrn Ernst Ahasverus Heinrich Graf von
Lehndorff
[Schließen]Pergamentbände mit handgeschriebenen Aufzeichnungen persönlicher
Art in französischer Sprache. Truhe II enthielt hauptsächlich Aktenbündel
Erbschaftsangelegenheiten betreffend usw. Als interessantes Stück ist die Heute wieder in Privatbesitz, siehe das Foto in
der Bildersammlung.
[Schließen]Urkunde mit der reichsgräflichen Ernennung und dem
Wappenbrief und dem doppelseitigen kaiserlichen Metallsiegel anzusprechen.
Das Einverständnis der Landesregierung vorausgesetzt, wird alles aktenmäßige Material
dem Stadtarchiv zur Aufnahme und zur Weiterleitung an das Landesarchiv übergeben.
Es handelt sich um den Teil des Familienarchiv in: StA
L, Bestand 21950. Inwieweit tatsächlich eine Vernichtung erfolgte, ist nicht
klar. In der Bestandsakte im StA L werden neben den Akten aus Kriebstein
weitere „5 Schachteln Archivgut“, übergeben am 18. Dezember 1975
von der Staatlichen Archivverwaltung, aufgeführt.
[Schließen]Das wertlose Papier und wohl auch die Briefe, die rein familiären Inhalts
sind, können vernichtet werden. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, werden wir dem Fahndungsamt der Stadt
Leipzig eine Abschrift des Protokolls zugehen lassen, da dieses besonderes Interesse
für die eisernen Truhen hatte und in Leipzig das Gerücht aufgekommen war, Vgl. BArch Berlin, MfS, Sekr. Neiber, Nr. 383, Bl. 205
ff. Im November 1944 hatte der ostpreußische Gauleiter Koch an Martin Mutschmann, Gauleiter in Sachsen, wg. der
Unterbringung von Kunst- und Kulturgütern aus Ostpreußen geschrieben. Seine eigene Sammlung brachte er, als
„Museumsgut‟ deklariert, nach Thüringen. Sie traf mit einem LKW-Transport am 9.
Februar 1945 in Weimar ein und
wurde im Landesmuseum untergestellt, vgl. das Verzeichnis in BArch Berlin, MfS,
Sekr. Neiber, Nr. 391, Bl. 74-84. Eine Abholung von 2/3 der eingelagerten
Gegenstände erfolgte am 9./10. April 1945 unter der Leitung des
„Hausverwalters‟ (Albert Popp). Der
Rest der Sammlung wurde von der SMAD beschlagnahmt, vgl. BArch Berlin, MfS,
Sekr. Neiber, Nr. 386, Bl. 73.
[Schließen]die Truhen enthielten wertvolles Material des Gauleiters Koch und des Statthalters Mutschmann. Es liegt uns bei dieser Gelegenheit daran, eine Entscheidung herbeizuführen,
was nun mit dem anderen herrenlosen Gut geschehen soll, das, wie aus beiliegender
Liste ersichtlich, ausschließlich aus Möbeln besteht. Wir schlagen vor, dem Chemnitzer Museum in seine Textil- und
Kunstgewerbe-Sammlung zu überlassen WB 1-5, 10-15, 19-31. Das Leipziger Museum würde, wie sein Direktor Dr.
Bethke versicherte, dankbar sein, wenn
ihm folgende Stücke überlassen würden: WB 9, 16, 17, 18, 6, 7, 8. Dem Museum für Musikinstrumente in Leipzig könnte das
Giraffenklavier (WB 16) zugeführt werden. Die Überlassung würde seitens der
Landesregierung in der Form der Leihgabe geschehen können, wie es ähnlich bei den
Objekten der Schlossbergungsaktion gewesen ist. Da das Dresdener Museum unter dem in Dresden aufgespeicherten Gut aus der Schlossbergungsaktion seine Wahl
treffen konnte, glauben wir, dass es an den weniger wertvollen Stücken dieser Bergung
kein Interesse haben wird.
Leitung der Städtischen Kunstsammlung
Schreiber-Weigand
Direktor
Anlage 1
Protokoll.
Am 16. November 1948 wurden im Beisein von 2 Vertretern des Kriminalamtes Chemnitz, der Herren
Herbert Clauß und Curt Uhlmann, dem unterzeichneten Museumsdirektor
Schreiber-Weigand, dem Hausmeister
des Museums Eckert und dem Schlossermeister Berthold die zwei alten eisernen
Truhen, die mit herrenlosen Möbeln aus der Kirche zu Wechselburg in das Chemnitzer Museum überführt worden sind,
durch den Schlossermeister Berthold geöffnet und der Inhalt in Augenschein
genommen. (Die Truhen haben die Größe 83 x 45 x 46 und 76 x 47 x 47). In Truhe I
fanden sich ausschließlich persönliche Briefe, Zeitungsausschnitte,
Aufzeichnungen, Briefdurchschläge und in französischer Sprache geschriebene
Chroniken aus dem Ende des 18. Jahrhunderts. In Truhe II waren ausschließlich
Aktenbündel, z. T. testamentarischen Inhalts, z. T. verwaltungsmäßigen, z. T.
enthielten sie Erbschaftsangelegenheiten usw. Als besonderes Stück wurde in
einem Blechkasten eine in einen Samteinband gebundene alte Vgl. die digitale Aufnahme in: Österreichisches
Staatsarchiv, AT-OeStA/AVA Adel RAA 253.54 Löhndorff (Lehndorff),
Ahasverus von.
[Schließen]Urkunde mit der reichsgräflichen Ernennung vom 23. Februar 1687,
auf Pergament geschrieben mit anhängendem, in Metall ausgeführtem
kaiserlichen doppelseitigen Sigelzeichen vorgefunden.
Leitung der Städtischen Kunstsammlung (Stempel)
gez. Schreiber-Weigand Direktor
gez. Herbert Clauß
gez. Kurt Uhlmann
Anlage 2
Städtische Kunstsammlung Chemnitz
Az. 320-0
Nach dem Schreiben vom 26. Februar 1949 wurden
die Möbel zwischen Chemnitz und Leipzig (hier *) aufgeteilt, vgl. in der
Akte, Bl. 344 und 348.
[Schließen]Aufstellung der von Wechselburg sichergestellten Gegenstände
- WB 1 Dreiteiliger Aufsatz-Schrank 1850-60
- WB 2 Schreibschrank mit Spiegeltüren 19. Jahrhundert
- WB 3 Zweiteiliger Kommodenschrank etwa 1740
- WB 4 Bürgerliche Barockkommode 1760
- WB 5 Gebrauchte Rokokokommode 1750
- WB 6* Gegenstück dazu
- WB 7* Renaissance-Schrank frühes 17. Jahrhundert
- WB 8* Truhe frühes 17. Jahrhundert
- WB 9* Truhe 1622
- WB 10, 11 2 Hohe Kirchenstühle 18. Jahrhundert
- WB 12, 13 2 Renaissance-Stühle
- WB 14 Blumenbank 18. Jahrhundert
- WB 15 Lehnstuhl und 3 Stühle frühes 19. Jahrhundert
-
Nach dem Schreiben vom 26. Februar 1949
war das Giraffenklavier für die Musikinstrumentensammlung in
Leipzig „sehr erwünscht“, in der Akte, Bl.
345.
[Schließen]WB 16* Giraffenklavier 1840 - WB 17*, 18* 2 eiserne Truhen
- WB 19 gewölbte Truhe mit Beschlägen
- WB 20 Ostasiatisches Kohlenbecken
- WB 21 Gobelin-Sofabezug
- WB 22 Gobelin und Schawl stark defekt
- WB 23 4 St. alte Tapeten
- WB 24 1 Gobelin-Kniestück
- WB 25, 26 2 St. alte Leinenstickerei
- WB 27 1 Seidenrest, Rosenmuster
- WB 28, 29 2 Kleiderreste
- WB 30 1 Kissenbezug
- WB 31 1 Stuhlsitzbezug Gobelin
Zitierhinweis
Friedrich Schreiber-Weigand an die Landesregierung Sachsen. Chemnitz, 19. November 1948. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_tkb_gsb_31b