Steinort, den 9. Juli 1784
Hochwürdiger und Hochgeborener Reichsgraf
Gnädigster Graf!
Ew. Hochgeboren habe zwar nichts Wichtiges zu melden, auf meinen letzten Brief ist auch noch kein gnädiges Rückschreiben angekommen. Da aber Hochdieselben mir gnädigst aufzugeben geruht, alle 14 Tage zu schreiben, so habe dieses hiermit ganz gehorsamst befolgen wollen.
Er berichtet über die Auswirkungen der Witterung auf die
Landwirtschaft. Wie bereits im Brief vom 18. Juni schreibt er über den Brunnen und
vermutet, der Graf werde
„den reichlichen Vorrat dieses schönen Wassers zur Brau- und Brennerei
benutzen lassen Editorische Auslassung [...], welches mit einigen Kosten
wohl einzurichten ist“
, jedoch müsse der Brunnen wegen Baufälligkeit im Herbst „von Grund
auf neu gemacht werden“. - Er muss dem Grafen über entlaufene Knechte
und Mägde aus Taberlack und Stawken berichten. Damit es nicht zu weiteren
Fällen käme, habe er „14 sichere Leute“ ausgeschickt, die sie auf den
Landstraßen verfolgten und zurückzubringen hatten. Einen Knecht und eine Magd, die
bereits mehrfach desertiert seien, habe er „in Eisen gelegt“, einen
anderen Knecht habe er „beim Maurer als Handlanger verdungen, um durch
dessen Tagelohn die Kosten zu ersetzen, die durch das Nachsetzen dieses
mutwilligen Deserteurs anstehend sind“. Wenn alle, die sich mit
ähnlichen Pläne tragen, sehen, „dass ich alle Deserteure wieder
zurückbekommen habe, werden sie von ihrem Vorhaben wohl abstehen“. Es
sei für ihn sehr kränkend, da die „hiesigen Leute jetzt ganz väterlich
behandelt werden und doch so sehr undankbar sind“. Die
Kreis-Justiz-Kommission habe ihn aufgefordert, die Leute nach Angerburg zum Verhör zu bringen. Er werde bei
Ablieferung der Leinwand versuchen, die Angelegenheit mündlich zu klären, doch
müsse man mit „Herr Glave, der das
ganze dirigiert, Editorische Auslassung [...] sehr behutsam“ umgehen. -
Nach einem Schreiben des Grafen, dass ihm während der Abfassung des Briefes
zugeht, ist der Drengfurter Richter
bestellt und wird sich der Angelegenheit annehmen. - Bei der Kirchenvisitation sei
mit dem Probst verabredet worden, dass der Rektor Strugull hatte in Rosengarten ein Mädchen geschwängert, vgl. StA L,
Bestand 21950 Familienarchiv Lehndorff, Nr. 380 (Ostpreußisches Konsistorium
an Lehndorff, Königsberg, 21. September 1784; Rhenius an Lehndorff, 29.
September 1784). An die Verfügung des Konsistoriums hielt sich Strugull
nicht und war noch im November im Amt. Bei einer gerichtlichen Untersuchung
des neuen Justitiars Leitner in
Rosengarten stellten sich
weitere Amtsverfehlungen heraus, auch hatte Strugull zahlreiche Schulden.
Ihm wurde der Dienst untersagt und er wurde verpflichtet, bis zum 3.
Dezember die Schulwohnung zu räumen. Den Unterricht übernahm der Pfarrer in
Rosengarten, vgl. ebd., Nr. 380, Bl. 128-131v (Rhenius an Lehndorff, 26.
November 1784).
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Strugull
entlassen werde und binnen drei Wochen aus dem Amt scheide.
Übrigens befindet sich alles wohl und empfiehlt sich zu Gnaden.
Ich aber ersterbe in tiefster Treue
Ew. Hochgeboren untertänigster
Diener
Rhenius
Zitierhinweis
Wilhelm Rhenius an Ernst Ahasverus Heinrich Graf von Lehndorff. Steinort, 9. Juli 1784. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_wdk_bvq_w1b