Königsberg, den 23. Februar 1825
Mein herzenslieber Carl,
dass ich jetzt bei Tag und bei Nacht fast keinen anderen Gedanken habe als an Dich und Deine Lage, wirst Du mir wohl glauben. Doch weil die gespannte Fantasie sich notwendig zuweilen abspannen muss, so will ich Dich heute von einem anderen Gegenstand unterhalten, und zwar einem, der mein Gefühl auch auf eine andere Art in Anspruch nimmt, dass ist der herzliche Dank für all die guten Sachen, die der H. Strehl mir aus Rehsau durch den Poltzien geschickt hat auf Dein Geheiß. Auch die kleinen Wirtschaftsjungfern haben sich sehr darüber gefreut und küssen Dir die Hände. Vorige Woche habe ich auch den Besuch des Herrn Strehl in eigener Person gehabt und eigentlich zum ersten Mal mit ihm gesprochen. Er gefällt mir recht gut, heiter, tätig und jovial, nicht so überbildet und so anmaßend wie jener. Er erzählte uns mit einiger Verlegenheit, dass er eine Frau von 16 Jahren geheiratet hätte. Er hat hier etwas Weizen verkauft und die Preise doch um ein weniges gestiegen gefunden. Dann hat er mir auch gesagt, dass die Krüger zu Bajohren sich auseinandersetzen wollen und es käme nur auf meine Bewilligung an. Ich habe ihm darauf gesagt, er solle Dich darum fragen, und wenn Du mir dazu rietest, würde ich es gern tun, und so vermute ich, er wird Dir darum schreiben.
Nun noch einen Vortrag, der Rehsau
betrifft. Ich habe mir vorgenommen, den ganzen Sommer abwesend zu sein, teils in
Friedrichstein, teils in Steinort. In einem Brief an Cecilie von Below, geb. Gräfin Dönhoff, vom 15. Dezember 1837
schrieb Lehndorff: „Wenn ich nur nicht nach dem widerwärtigen Königsberg müsste“, in: GStA PK,
VIII. HA C Nr. 31, Bd. 4, Bl. 8-8v.
[Schließen]Denn ich vermute, dass Du mit Mutter und Kind auch dahin gehen wirst und
nicht hierher nach Königsberg kommen
würdest, wo ihr alle beide nicht gern seid. In dieser Voraussetzung will ich hier meine Hauswirtschaft aufgeben, das heißt
nicht kochen lassen, der Hofmannin Kostgeld
geben, den Tochtermann Dir in Steinort in die Kost geben, dass er da das
Mitessen habe mit seiner Frau und Tochter Nota bene mit
Beibehaltung seines Lohnes einerseits (Kleidung hat er für dieses Jahr schon
bekommen), und meine Köchin Dora wollte ich
dem Strehl in Rehsau in die Kost geben, wo
sie mit den anderen Leuten ganz egal gehalten werde und Straal mir monatlich eine Rechnung halten soll für
das, was sie für ihre Person etwa noch an barem Gelde kosten würde. Doch da die
Ausführung dieser Pläne noch nicht Eile hat, so hat es mit der Antwort auch noch
Zeit.
den 24.
Seitdem ich hier unterbrochen wurde, ist wieder eine Post aus Danzig gekommen, aber leider ohne die Von der
Entbindung der Gräfin Pauline,
siehe das Dokument vom 2. März
1825. Die Tochter
wurde am 27. Februar geboren. Gräfin Amalie war Taufpatin, ebenso die (nicht zur Taufe
anwesende) Herzogin von
Holstein-Beck, Graf und Gräfin von Keyserling-Neustadt und Prinz
Hermann von
Hohenzollern-Hechingen aus Danzig. Am 20. Oktober 1826 wurde der Sohn Carl Meinhard im „alten
Lehndorffhaus zu Königsberg“ geboren, vgl. Schultze,
Lebensbild, S. 638.
[Schließen]erwünschte Nachricht. Gotte gebe sie doch bald und glücklich.
A. Lehndorff
Zitierhinweis
Amalie Caroline Gräfin von Lehndorff an ihren Sohn Carl Friedrich Ludwig. Königsberg, 23./24. Februar 1825. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_yg4_jhg_nbb