Rosengarten, 8. März 1875

Gnädigste Gräfin!

Unter mannigfachen Arbeiten, unter welchen die Schulrevisionen den größten Teil meiner Zeit in Anspruch nehmen, ward es mir trotz guten Willens nicht möglich, Ihnen für Paket und Brief meinen gehorsamsten Dank sogleich abzustatten. Sei Ihnen darum heute von ganzem Herzen gedankt! Die 7 Fragen über  Am 23. Januar 1874 hatte das preußische Abgeordnetenhaus dem „Gesetz zur Einführung der Zivilehe und zur Beurkundung des Personenstandes“ mehrheitlich zugestimmt, ein Jahr später wurde das Gesetz im Deutschen Reich eingeführt. Auf dem Höhepunkt des Kulturkampfes war damit das Recht der Kirchen, Eheschließungen zu vollziehen und zu beurkunden, massiv beschnitten worden. Eine Ehe war fortan nur rechtsgültig, wenn sie vor einem Standesbeamten geschlossen wurde.
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Zivilehe
p. enthalten bekannte Sachen. Das Gebetbuch hat, man fühlt es ihm an, lauter Herzensgebete und soll mir beten helfen. Der freundliche Brief aber ist mir das wertvollste Ihrer Sendung.   Editorische Auslassung [...] es wird, hoffe ich, auch die Zeit kommen, wo Frau Gräfin davon überzeugt sein wird,  Zur Tätigkeit des Waisenhauses Rosengarten: APO, Bestand 382 Familienarchiv Lehndorff, Nr. 595 (Monatsberichte der Waisenmütter A. Alex und K. Kraftzig, 1872-1892).
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dass ich ein höheres Interessen am Waisenhaus habe, als die Kraftzig und für sein Gedeihen ungleich herzlichere Wünsche habe, als Periche(?) oder selbst   Unleserliche Stelle [...].
Glauben Sie, gnädigste Gräfin, nächst Pfeiffer, der ja sterben möchte, gönnte ich ihm den Vorrang nicht, will ich in treuester Ergebenheit und aufrichtiger Verehrung für mein Grafenhaus der Beste sein, und da erquickte es mich denn, wenn meine Herrschaft gütig gegen mich ist.

Die aus den Zeitungen, aus des Herrn Grafen und aus Pfeiffers Munde empfangenen Nachrichten über Ihre  Im Sommer desselben Jahres hielt sich der Kaiser in Gastein auf, vgl. das Dokument vom 2. September 1875. Siehe hierzu auch dien Bericht der Provinzial-Correspondenz vom 21. Juli 1875.
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nahen und herrlichen Beziehungen zum Hofe
haben mir wohl Freudentränen in die Augen gebracht, aber doch mischte sich in unsere Freude das Gefühl, als müssen wir mit stärkerem Anliegen vor den Herrn treten, dass Er Sie stark mache, die unvermeidlichen Strapazen des Hoflebens zu ertragen. Er hat es getan und nach den vielen Wochen  Briefe Lehndorffs nach Dresden in: APO, Bestand 382 Familienarchiv Lehndorff, Nr. 357.
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Ihres Reiselebens in Dresden
werden wir unsere Frau Gräfin gekräftigt hier wieder begrüßen. In dem Befinden unserer lieben verehrten Komtess ist doch auch schon Besserung eingetreten?  Am 5. April 1876 telegrafierte Lehndorff: Carl sei nicht versetzt, „nach eingeholten Aussichten sei wahrscheinlich Abgang von der Schule rätlich.“ (Bl. 162).
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Und Carl gedeiht, Gottlob, auch!?
  Editorische Auslassung [...]

Die Andeutungen des p. Moll bei der Einführung des   Unleserliche Stelle [...] scheinen sich zu bewahrheiten. Man geht damit um, die Konfirmandenstunden in eine Zeit zu verlegen, wo wir sie nicht halten können. Was wird das werden? Wie wird das enden? Mag der Herr selber wollen!

Im Waisenhaus ist bis auf die Erkrankung der Emma Wittenberg   Editorische Auslassung [...], die zu Bette liegt und gut transpiriert, alles gut. Das Schwein hat sie besser geschlachtet wie das vorige. Die schwarze Kuh gibt 4 1/2 Liter magere, die andere 7 Liter fette Milch.   Unleserliche Stelle [...] klagt nicht, die Kinder sind fröhlich. An Kollekten habe ich für das Haus eingenommen 24. Rtlr. 6 Gr. 5 D., davon 13 Rtlr., 6 Gr., 5 D. auf Wunsch des Pfeiffer an Waschke gegeben. 10 Rtlr,. hat Herr Graf gezeichnet. 1 Rtlr.   Unleserliche Stelle [...] und 2 Schfl. Roggen, Werner wird etwas senden, Raabe auch. W. soll Kartoffeln kaufen, da nur 2 Schfl. Vorrat. Das ist mir nicht ganz klar, wo die große Scheffelzahl der erbetenen Kartoffeln geblieben sind. Warum, wenn wir damit nicht auskommen konnten, sind im Herbst keine Kartoffeln gekauft? - Herr Baron hat uns noch immer nichts geschickt - muss ihn wieder erinnern, da er vieles vergisst.

Die Hochzeit der Baronesse Julie wird wohl bald nach Ostern statthaben. Wenn Reuter-  Unleserliche Stelle [...] nichts dawieder hat, soll ich es machen.

Für Ihre große Güte in Betreff der Abendmahlkanne sage ich Ihnen meinen gehorsamsten Dank. Die Ausgabe von noch 25. Rtlr. ist gar hoch, deshalb wird noch eine Steingutkanne als Aushilfe gekauft werden.

Große herzliche Freude hatten wir am Besuch des Herrn Grafen Heinrich bei uns.   Editorische Auslassung [...]

Das Schaf werde ich kaufen. Jaski will die Kuh nicht mehr frei zur Weide nehmen, ich meine die schwarze, denn die rotbunte war ja auf meinem Namen drauf. Diesmal habe ich auch mein Vieh zu Hause und so werden wir wohl 12 Rtlr. Weidelohn bezahlen.

Mit dem herzlichsten Wunsche, dass Sie und Komtess glücklich rückkehren, verbinde ich die Bitte, letzterer wie Carol, Rudolf und Mokritz von mir herzliche Grüße zu bestellen. In treuester Ergebenheit bin ich Ihr gehorsamster Diener

Borkowski

Zitierhinweis

Johann Carl Borkowski an Anna Gräfin von Lehndorff. Rosengarten, 8. März 1875. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_zg2_czb_ycb