Friedrichstein, den 23. Oktober 1856

Meine herzensliebe Anny!

Durch  Klara, geb. Gräfin von Kalnein, Ehefrau von Georg Graf von Lehndorff; Schwägerin beider.
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Klara
hörte ich, dass Carl die Absicht habe, seinen Geburtstag in Basedow mit Dir vereint zu feiern und richtete deshalb meinen Geburtstagsbrief an ihn dorthin. Nun ist mir aber noch keine Bestätigung dieser Nachricht zugegangen und ich weiß nicht, ob Carl seinen Plan wirklich ausführen konnte, oder ob er etwa durch seine einmal übernommenen Jagdverpflichtungen als  Begriff aus der Fuchsjagd.
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„master of the hounds‟
daran verhindert worden ist. Ich wende mich daher an Dich als das schreibseligste Mitglied unserer Familie, um Dich zu bitten mir mitzuteilen,  Er traf am 10. November 1856 ein, vgl. APO, Bestand 382 Familienarchiv Lehndorff, Nr. 522, Bl. 1-2v (Emmy Jelf an Anna von Lehndorff, King's College, London, 10. November 1856). Siehe auch das Dokument vom 5. Mai 1856.
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ob Carl bei Dir in Basedow ist und ab wann er von dort aus nach England gehen wird, um Magdalena abzuholen,
was ich so sehr wünsche, da uns sonst das Kind am Ende auch noch den Winter fortbleibt. Auch verlangt mich so sehr danach zu hören, wann Du mit den Kindern heimzukehren gedenkst und ob wir noch die Hoffnung haben, Euch bei Eurer Rückkehr nach Steinort für einige Tage in Friedrichstein zu besitzen. Bedenke, meine Änny! dass nun schon mehr als zwei Jahre verstrichen sind, seit Du hier warst und dass Du uns ohne alle Widerrede einen Besuch schuldig bist.

Ach wie würde ich mich freuen! Dich und Deine süßen Kinder hier zu haben; sie sind mir so ans Herz gewachsen, dass ich eine recht innige Sehnsucht nach ihnen habe. Schreib mit doch nur beizeiten, wann Du kommst und wen Du an Leuten mitbringst, damit ich Euer Quartier möglichst behaglich einrichten kann. - Aber ich glaube, ich baue da Luftschlösser und sehe Dich schon im Geist den ganzen Winter in Basedow bleiben. Am Ende sehen wir uns noch in Bälde in Berlin wieder, wenn Du als Frau des Herrenhauses residieren wirst. Schreib mir doch bitte, wie es mit Carls Wahl wird: Eine entschiedene Ablehnung kommt mir nicht recht tunlich vor und am Ende kann er es ja wie so viele Mitglieder machen und einmal im Winter auf 14 Tage oder 3 Wochen hingehen. Ich würde mich ganz ungeheuer freuen, meine einzige Änny!, wenn ich Dich in Berlin erlebte und Ihr brauchtet ja nicht den ganzen Haushalt mitzuschleppen, sondern ließet die Kinder wohl versorgt in Basedow.   Anna von Lehndorff hatte mütterlicherseits durch die Schlippenbachs sowie über die Verbindung Hahn-Kuchelmiss zahlreiche Verwandte - Tanten und Onkel, Kusinen, Nichten - in England und Irland, z. B. in Sallingen, St. Leonards-on-Sea und Oxford, vgl. APO, Bestand 382 Familienarchiv Lehndorff, Nr. 391 und 392, 522 bis 527.
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Und unsere Magdalena kommt hoffentlich mit etwas gemilderten Ansichten aus England zurück,
als die dritte in unserem Bunde und wir 3 Basedowschen Schwestern erscheinen dann als halbes Kleeblatt am Hof und bezaubern durch unsere hinreißendste Liebenswürdigkeit. Na! meine Änny! das wäre doch zu nett - ich kann mich zu sehr über diese Aussicht freuen! - Vor allem gehört freilich dazu, dass Du Dich recht wohl und kräftig fühlst, mein teures Herz! und dass Du auch um Deine liebe  Agnes Gräfin von Hahn geb. von Schlippenbach
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Mama
außer Sorgen bist; dazu wolle der gnädige Gott seinen Segen geben.

Wir werden wohl circa am 20. November von hier aufbrechen, um zur Eröffnung der Häuser in Berlin zu sein. Schreib mir recht bald, ob ich Dich hier oder in Berlin wiedersehe.

Ehe ich von hier aufbreche, möchte ich noch eine Angelegenheit erledigen, die ich schon längst mit Dir, meine Änny! besprechen wollte, die mir aber bei unserem flüchtigen Wiedersehen im Frühjahr nicht in den Sinn kam und mir nun doch ein bisschen auf dem Gewissen lastet.

Bald nach meiner Rückkehr aus Steinort erhielt ich mündlich beiliegenden Brief eines armen Gärtners der sich - als Vetter - meldet und mich bittet, eine Sammlung für ihn in der Familie zu veranstalten. Er gehört zwar zu der Sorte von Vettern von denen man sagt: „Sie gefallen mir nicht‟, indessen will es mir doch nicht als christlich erscheinen, diese seine bescheidene Bitte um eine kleine Unterstützung von sich zu weisen und deshalb fühle ich mich verpflichtet, seine Bitte in die Familie zu vermitteln und besonders an Deine Mama sie gelangen zu lassen, indem ich es Deinem Ermessen anheimstelle, ob Du auch noch bei anderen Gliedern der Familie kollektieren willst, etwa bei Onkel Albert. Ich fürchte, sie werden alle nicht sehr enchantiert über diesen Zuwachs der Verwandtschaft sein.

Ich vermute, dass die  Also den Schmettaus? Amalie Caroline Gräfin von Schmettau war die Großmutter von Pauline von Dönhoff und Annas Ehemann Carl Meinhard. Weiteres geht aus den Akten dazu nicht hervor.
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Großmutter dieses Gärtners der Branche des weiland puckligen Vetters aus Schlesien
angehörte, von der ich in Altenburg zwei ganz kleine Sprösslinge kennenlernte.

Mama wird sich vielleicht aus früherer Zeiten dieses Rosbitzky entsinnen, da(?) er sich auf früher ihm von Steinort aus gewährte Unterstützungen beruft; vielleicht ist ihr auch der Zusammenhang seiner Familiengeschichte bekannt und ob es mit der Verwandtschaft seine Richtigkeit hat. Ich weiß von dem Mann nichts weiter, als was sein Brief und das Attest seines jetzigen Brotherren behauptet. Der Brief ist mit der Schlippenbachschen   Unleserliche Stelle [...] Petschaft zugesiegelt. Wenn es Dir gelingt, eine kleine Summe zusammenzubringen, so habe die Güte sie mir möglichst bald zukommen zu lassen, damit ich noch ein Scherflein dazu beitragen und ihm dann die ganze kleine Summe noch von hier zuschicken kann. Sei so gut und schicke mir das Attest des Herrn Schmeltzer wieder, damit ich die richtige Adresse habe.

Wenn Carl nicht bei Dir ist, so habe die Güte ihm den Brief zu schicken, den ich ihm zum 30. geschrieben habe, weil er auch noch andere Angelegenheiten als bloße Geburtstagsgratulationen enthielt, die ich gern bald zu ihm gelangen ließe.

  Editorische Auslassung [...] und bin und bleibe ewig Deine treue Schwester

Pauline Dönhoff

Zitierhinweis

Pauline Gräfin von Dönhoff an Anna Gräfin von Lehndorff. Friedrichstein, 23. Oktober 1856. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail.xql?id=lehndorff_zsd_2vf_4y