Endlich erlebe ich einmal eine freudige Überraschung nach jahrelangem Kummer und Gram. Der König erteilt mir die Erlaubnis, nach Preußen zu reisen. Ich freue mich unendlich darauf, meine Heimat wiederzusehen und aus diesem Zanknest Berlin herauszukommen.
Editorische Auslassung [...]
Nachdem ich den 27. zu Hause verlebt habe, reise ich am 28. um 4 Uhr von Berlin ab und übernachte in Oranienburg. In Zehdenick treffe ich mit einem Offizier vom Kavallerieregiment des verstorbenen Prinzen Heinrich zusammen, einem Herrn v. Trenck aus Preußen, der mir in rührenden Worten die Betrübnis schildert, die in seinem Regiment über das schmerzliche Ereignis herrscht. Am 29. komme ich um 8 Uhr abends in Prenzlau an. Ich halte mich einen Augenblick bei dem Oberst Blankenburg auf, bei dem ich Gröben und Winterfeld treffe, reise dann, nachdem ich die Pferde gewechselt, die ganze Nacht durch weiter und komme am 30. um 6 Uhr morgens in Stettin an. Mit Vergnügen sehe ich hier meine Schwester Podewils wieder, die mir einen herzlichen Empfang bereitet. Ihre jüngste Tochter hat sich sehr zu ihrem Vorteil verändert. Nachmittags besuche ich den General Puttkamer, bei dem ich am folgenden Tage mit dem Prinzen von Bevern zusammen speise. Dieser erzählt mir näheres über die Art und Weise, wie man dem König im Lager von Stargard den Tod seines Neffen mitteilte.
Editorische Auslassung [...]
1. Juni. Ich speise beim Prinzen von Bevern mit einer ganzen Anzahl von Generalen Nachher sehe ich mir Schiffe an: Ich begebe mich auf das eines Holländers, der mich mit großer Freundlichkeit und der den Holländern eigenen Offenherzigkeit aufnimmt. Mit Bedauern sehe ich, wie der Handel infolge der Beunruhigung durch die Neuerungen der Franzosen zurückgeht. Ich mache auch mit dem Präsidenten Schöning Bekanntschaft, der sich äußerst nett gegen mich benimmt.
2. Juni. Ich verlasse Stettin und fahre direkt nach Treptow, der Residenz des Prinzen von
Württemberg. Am 3. lange ich dort an und bin in großer Verlegenheit,
ein Unterkommen zu finden, bis mich schließlich ein Herr v. Krummensee aufs freundlichste in seinem Haus
aufnimmt. Der Prinz und die Prinzessin erweisen mir die größten Aufmerksamkeiten.
Ich werde sofort von einer Equipage abgeholt, und da schon alle bei Tisch sind,
erweist man mir die freundliche Rücksicht, so lange zu bleiben, bis ich mit dem
Essen fertig bin. Die Familie des Prinzen zählt fünf Prinzen und drei Prinzessinnen,
lauter prächtige Kinder. Man würde wirklich einen so hübschen und reizenden Hof, an
dem ein so guter Ton herrscht wie hier in Treptow, wohl kaum in Pommern suchen. Ich treffe hier die Gräfin
Skorzewska mit ihrer ganzen Familie.
Sie hat zwei kleine Töchter, wahre Wunderkinder an Geist und Talent. In ihrer
Begleitung befindet sich noch ein Onkel, ein sehr reicher polnischer Graf, der aus
Neigung Kapuzinermönch geworden ist und der mir mit großer Lebhaftigkeit
auseinandersetzt, dass er der glücklichste Mensch auf Gottes Erdboden sei. Den
ganzen Nachmittag verbringe ich bei der Prinzessin, indem sie mir ihren Garten zeigt
und, um mir ein besonderes Vergnügen zu bereiten, für den folgenden Tag einen
Fischfang arrangiert. Kurz, man erweist mir so viel Aufmerksamkeiten jeglicher Art,
dass es mir schwer wird, von Treptow wieder loszukommen. Am 4. nachmittags reise ich
weiter. Ich hatte mir vorgenommen, ohne Unterbrechung bis Danzig durchzufahren, wie ich aber um
Mitternacht in Köslin anlange, sind keine
Pferde da, so dass ich übernachten muss. Am anderen Morgen lässt man mir früh um 5
Uhr schon sagen, der Lehndorffs Schwester und Schwager
[Schließen]Graf und die Gräfin Podewils sowie Fräulein v. Morrien hätten
gleichfalls in Köslin übernachtet und
würden sich sehr freuen, mich zu sehen. Das war für mich eine zu angenehme
Überraschung, um der Einladung nicht Folge zu leisten, und es war dann sofort
beschlossene Sache, dass ich in ihrem Wagen Platz nahm und mit ihnen nach ihrem
Landsitz fuhr. Das ließ sich alles vortrefflich einrichten, wir dinierten noch bei
einem ehrsamen Bürger in Köslin, einer
recht hübschen Stadt, und kamen dann um 5 Uhr nachmittags in Wusterwitz an. Ich hätte nie geglaubt, an der
Grenze von Kassubien ein so hübsches Landgut zu finden - eine prächtige Lage, ein
wohnliches Haus und Wirt und Wirtin reizend. Um indes ein gegebenes Wort einzulösen,
ging ich noch am selben Abend zum Übernachten nach dem Gute Suckow, das einem anderen Herrn v. Podewils, einem Sohn des verstorbenen
Staatsministers gehört. Hier fand ich eine ebenso herzliche Aufnahme. Das Haus ist
gleichfalls schön, der Garten hat Wasserkünste, kurz, lauter Überraschungen, auf die
ich hier in Pommern keineswegs gefasst war. Anderen Tags kehrte ich mit einem
Geheimrat v. Behn nach Wusterwitz zurück. Fräulein v. Morrien und ich besprechen zusammen die
Vorgänge, die wir vor zwei Monaten miterlebt, und stellen Betrachtungen darüber an,
wie angenehm es sei, nach all den Stürmen die Dinge an einem hübschen ruhigen Ort,
ohne Bitterkeit und ohne Vorurteil zu besprechen. Fräulein v. Morien bleibt in
Wusterwitz, um Herrn v. Kalckreuther zu
erwarten, der hierher kommt, um sie zu heiraten. Am 6. Juni reise ich nach dem
Abendessen von Wusterwitz ab, fahre über Zanow und komme um 3 Uhr morgens in Stolp an. Von dort fahre ich über Lupow, bin um 5 Uhr nachmittags in Lauenburg, reise noch die ganze Nacht durch und lange am 8. mittags
in Oliva an, das eine wundervolle Lage
hat. Ich steige in einem Gasthause ab. Da der Wirt mir weismacht, der Abt diniere um
12 Uhr, so bestelle ich mir im Gasthaus ein Mittagessen und lasse dann um 2 Uhr beim
Abt, der aus dem Hause Rybinski stammt,
anfragen, ob ich ihn besuchen könne. Er lässt mir sofort sagen, ich solle unbedingt
zum Diner zu ihm kommen. Ich finde ihn königlich eingerichtet. Er hat eine große
Gesellschaft zu Tisch, unter anderen den russischen Residenten Rehbinder, der mich während meines ganzen
Aufenthaltes in Danzig mit
Aufmerksamkeiten überhäuft. Nach dem Kaffee gehen wir im Garten spazieren, der an
Schönheit alles übertrifft. Da sind erstaunlich hohe Spaliere, über die man überall
einen Blick aufs offenen Meer hat, das an dieser Stelle immer von Schiffen bedeckt
ist, da hier die Danziger Reede ist. Diese Aussicht lässt sich höchstens mit einer
reizenden Operndekoration vergleichen, denn das die Natur etwas so Vollkommenes
zustande bringen könnte, erscheint fast unglaublich. Ich beteilige mich nachher an
mehreren Spielen und bin sehr erfreut über die Bekanntschaften, die ich hier mache.
Um 6 Uhr begebe ich mich nach Danzig.
Etwas so Schönes wie die Straße von Oliva nach Danzig gibt es nirgend wieder, rechts
wie Gärten bepflanzte Höhen und links das offene Meer. Erst kommt man durch
prächtige Vororte und dann durch eine sehr schöne Allee in die Stadt selbst. Im
nehme im Schiffergildehaus?
[Schließen]Schippergilhaus Quartier. Am folgenden Tage statte ich Herrn Rehbinder einen Besuch ab, der mich nach Langfuhr zu einer Frau Kammerherr v. Goltz mitnimmt. Hier treffe ich die Generalin
Goltz, die Witwe des früheren
sächsischen Gesandten Goltz, der kurz nach
seiner Ernennung zum General der Konföderation der Dissidenten plötzlich starb. Sie
ist in tiefer Trauer. Wir machen reizende Spaziergänge in den Bergen. Da heute der
letzte Tag des Pfingstfestes ist, so ist alles von Spaziergängern belebt, was sich
besonders hübsch ausnimmt. Nachher soupieren wir bei Frau v. Goltz, und ich kehre
dann mit Herrn und Frau v. Rehbinder und deren Schwester, Fräulein
v. Kalnein, die alle sehr liebenswürdig
sind, nach Danzig zurück. Bei meiner
Rückkunft finde ich die Pferde meiner Mutter und meines Schwagers, des Grafen Schlieben, vor, die mich hier abholen sollen. Ich
schicke daher Fräulein Chaselons und die
Sverus
(?) nach Steinort voraus und
soupiere bei Herrn v. Rehbinder in sehr
guter Gesellschaft. Darunter ist auch ein dänischer Resident, ein sehr hübscher
Mann. Am 11. speise ich in Ohra zu
Mittag bei einem sehr reichen englischen Kaufmann, Herrn Gibson, mit seiner ganzen Familie. Eine Tochter
von ihm hat einen Baron Keyserling
geheiratet; sie ist eine hübsche Frau. Abends speise ich bei Herrn Rehbinder. Ich mache die Bekanntschaft unseres
Residenten, des Herrn Junk, der ein sehr
eingebildeter Mensch ist und wegen seines schlechten Benehmens gegen die ganze Stadt
in Danzig verabscheut wird. Ferner lerne
ich noch die Fürstin Sanguszko, eine sehr
reiche und sehr liebenswürdige Dame, kennen. Als eine geborene Dönhoff ist sie eine
Verwandte von mir. Sie ist von ihrem Gatten geschieden und hat Danzig als Wohnsitz
gewählt. Ich werde von ihr mit Aufmerksamkeiten überhäuft und zu einem Fastenmahle
eingeladen, was eine ganz vortreffliche Sache ist. Dabei lerne ich eine junge
polnische Gräfin kennen, welche die Prinzessin bei sich hat, eine reizende und
geistreiche Dame, die mich vortrefflich unterhält. Die Fürstin ist außerordentlich
fromm und besonders für die Jesuiten eingenommen, von denen sie immer einen in ihrer
Begleitung hat. Als wir auf die Religion zu sprechen kommen, zitiert mir dieser alle
ihre guten Autoren, ich versichere ihm aber, dass ich diese zwar auch kenne, aber in
katholischen Dingen
Blaise
Pascal
[Schließen]Pascal als meinen besonderen Gewährsmann betrachte. Sobald er diese Namen hört, geht
er sofort auf ein anderes Thema über, und von Religion ist nicht weiter die Rede.
Ich suche einen alten Oberst Krockow auf und mache noch verschiedene andere Besuche. Danzig gefällt mir ausgezeichnet. Der holländische Resident, Herr Zoermanns bezeigt mir tausend Freundlichkeiten. Er gibt mir mit seiner ganzen Familie ein großes Mahl in seinem Garten bei Oliva, der auch eine wunderbare Lage und Aussicht auf das offene Meer hat und voll köstlicher Früchte ist. Das Mahl verrät den gutbürgerlichen Danziger Geschmack; es gibt Rheinwein mit Zucker und viele schlecht servierte Gerichte. Ich sehe indes immer auf die gute Absicht des Gastgebers, und diese lässt nichts zu wünschen übrig.
Nachdem ich so Danzig gründlich
durchstreift habe, reise ich am 14. Juni wieder weiter. Ich fahre durch die
reichen Güter des Werders, die nur in Holland ihresgleichen haben, und komme
abends in Elbing an, das eine recht
hässliche Stadt ist. Am 15. breche ich um 5 Uhr morgens wieder auf und bin um 11
Uhr in Preußisch-Holland, wo ich auf
einen Augenblick beim Hauptmann Kunheim absteige. Vgl. hierzu Straubel, Rolf, Er möchte nur wißen,
daß die Armée mir gehört." Friedrich II. und seine Offiziere:
Ausgewählte Aspekte der königlichen Personalpolitik, Berlin 2012, S.
285.
[Schließen]Ich treffe hier den jungen Grafen Wartensleben, einen Sohn unseres Oberhofmeisters, der
Schulden halber aus dem Garderegiment Thadden ausscheiden musste und
sich hier in Preußen sehr
unglücklich fühlt, während ich den Augenblick nicht erwarten kann, wo ich wieder mit meiner
Familie zusammen bin. Die Veranlagung des menschlichen Geistes wirkt eben
verschieden auf unsere Herzen. Am gleichen Tage komme ich noch zum Diner beim
Grafen Dönhoff in Quittainen, einem alten Bekannten von mir,
dessen Wiedersehen mir Freude macht. Sein Haus ist sehr gut bestellt und seine
Gattin eine vortreffliche Frau. Ich beschließe meinen Tag bei ihnen recht
angenehm. Anderen Tags fahre ich nach Carwinden, wo die verwitwete Gräfin zu Dohna-Schlodien, geborene Gräfin Schwerin, eine alte
Bekannte von mir, wohnt. Zu Mittag komme ich in Schlodien an und werde mit größter Freundlichkeit aufgenommen.
Der regierende Graf ist der rechtschaffendste Mann, den es nur geben kann, und
seine ganze Gesellschaft setzt sich aus vortrefflichen Personen zusammen, denen
man sofort ansieht, dass sie aus sehr vornehmem Hause sind. Vgl. Foelsch, Torsten, Schlodien &
Carwinden. Zwei Schlösser in Ostpreußen und die Burggrafen und Grafen zu
Dohna, Groß Gottschow 2014; Dohna, Lothar Graf zu, Die Dohnas und ihre
Häuser, 2 Bde., Göttingen 2013.
[Schließen] Ich bin entzückt von allem, was Dohna heißt. Da ist die Tante des Grafen, die Gräfin
Sophie, die am Hofe Friedrich
I. aufgewachsen ist und noch das ganze feine Wesen jener Zeit an
sich hat. Sie erzieht eine sehr hübsche und reizende Nichte, die Tochter des
verstorbenen Generals Dohna. Ferner
sind da zwei liebenswürdige Gräfinnen v. Carolath; die eine ist die Schwester
der regierenden Gräfin und die andere eine Schwester von ihm. Nachmittags fahre
ich nach Schlobitten. Dieses
prachtvolle Vgl. Dohna, Alexander zu, Grommelt, Carl,
Mertens, Christine von, Das Dohnasche Schloß Schlobitten in Ostpreußen.
Bau- und Kunstdenkmäler des Deutschen Ostens, Reihe B, Band 5, Stuttgart
1965.
[Schließen]Schloss zeigt noch den Glanz, in den diese Familie zu Friedrich I. Zeiten lebte; der 1622 bis 1624 ließ Abraham zu Dohna das Schloss im
frühbarocken Stil nach holländischen Vorlagen errichten. Die
Kellergewölbe des Vorbaus aus dem 16. Jahrhundert wurden dabei
integriert. Im polnisch-schwedischen Krieg wurde das Schloss verwüstet
und nur notdürftig wiederhergestellt. Während nach Dohnas Tod dessen
Witwe Teile des Anwesens noch einige Jahre bewohnte, residierte sein
Neffe und Erbe Friedrich von
Dohna am Genfer See. Erst dessen Sohn Alexander zu Dohna-Schlobitten baute
das Schloss 1695 bis 1722 nach Entwürfen von Jean Baptiste Broebes im Stil des
Hochbarock wieder auf, erweiterte es um eine zweite Galerie und setzte
zwei rechtwinklig anschließende Flügel an, so dass das Gebäude einen
Ehrenhof hufeisenförmig umschloss. Der weitere Ausbau ab 1704 durch
Johann Caspar Hindersin.
Dabei wurde der äußere Marstallhof mit niedrigen Verbindungstrakten
umgeben, das Herrenhaus um ein drittes Geschoss erweitert und ein
Mansarddach aufgesetzt.
[Schließen]Marschall Graf Dohna hat es erbauen und einrichten lassen. Sein Enkel, der jetzige Besitzer, ist abwesend, aber ein französischer
Offizier, den er im Dienst hat, macht den Wirt. Am folgenden Tag fahren wir nach
dem Mittagessen nach Lauck, wo eine
andere Linie der Dohna ihren Sitz hat, und wo ich eine ebenso freundliche
Aufnahme finde. Alle diese Häuser sind sehr hübsch eingerichtet und haben alle
schöne Gärten. Am 18. reise ich von Schlodien ab, tief gerührt von der
Freundlichkeit der ganzen Familie Dohna. Der Graf erweist mir dazu noch die
Aufmerksamkeit, mir Pferde zu stellen, wodurch meine Reise bedeutend
beschleunigt wird. Ich fahre durch das Bistum Ermland. In Heilsberg feiert man das Fronleichnamsfest und ich komme gerade
zu einer schönen Prozession. In Schippenbeil, wo der Oberstleutnant Rohr mich sehr freundlich aufnimmt, will ich
übernachten, da aber Pferde von Steinort dort eintreffen, so reise ich weiter, komme nachts in
Dönhoffstädt an, das ein Vgl. Lorck, Carl von, Die deutsche Herrenhäuser.
Band 1: Herrenhäuser Ostpreußens. Bauart und Kulturgehalt. Mit
beschreibendem Verzeichnis, Königsberg 1933.
[Schließen]prachtvolles Schloss ist, und am anderen Mittag treffe ich glücklich in Steinort ein. In Drengfurt fand ich schon die Mehrzahl meiner
Bauern vor; sie warteten zu Pferde auf mich, um mir das Geleite zu geben, und
ich war tief gerührt über diesen Beweis der Anhänglichkeit der armen Leute. In
der großen Allee traf ich meinen Schwager Schlieben mit seiner Familie und meinen Nichten Ysenburg, die
mich alle aufs herzlichste begrüßten, und im Dorfe kam mir auch meine Schwester
Schlieben entgegen, die ich seit
17 Jahren nicht mehr gesehen hatte. Eine unendliche Rührung überkam mich,
besonders, als ich an das Bett meiner kranken Mutter trat. Ein so herrliches Gefühl wie die Freude, des
Wiedersehens geht über alle Freuden und Genüsse, welche die große Welt
gewöhnlich bietet und die stets von Missgunst, Ärger und Verdruss begleitet
sind.
Mit süßem Behagen genieße ich das Landleben, das ich tausendmal angenehmer finde,
als ich es mir gedacht hatte. Ich lasse im Garten einige Veränderungen vornehmen,
lasse Alleen aushauen und bin so mit Leib und Seele bei diesen Arbeiten, dass ich
mit Josua ausrufen möchte: Sonne, bleibe stehen! Eine wahre Angst erfasst mich, wenn
ich so einen Tag um den andren verfliegen sehe. Meine Nachbarn kommen zu mir auf
Besuch, unter anderen ein Major Graf
Schlieben vom Regiment Tettenborn, ein sehr liebenswürdiger Herr. Die Gesellschaft meiner
Nichten bereitet mir ebenfalls viel Vergnügen; es sind anmutige, unschuldsvolle und
hübsche junge Mädchen. So habe ich nach all dem Leid, das mir widerfahren, doch
wieder einmal ein paar frohe Tage. Aus Berlin schreibt man mir, dass die Vgl. Militär und Gesellschaft in Preußen Quellen zur
Militärsozialisation 1713 - 1806. Archivalien in Berlin, Dessau und Leipzig,
hrsg. von Jürgen Kloosterhuis, Bernhard R. Kroener, Klaus Neitmann und Ralf
Pröve, bearb. von Peter Bahl, Claudia Nowak und Ralf Pröve, Berlin
2015.
[Schließen]Affaire
Schmettow bezüglich der Misshandlung des Knaben nun entschieden und er zu
drei Monaten Festungshaft in Spandau verurteilt worden ist.Herr v. Larrey ist in Berlin angekommen, um für den Prinzen von
Oranien um die Hand der Prinzessin Wilhelmine anzuhalten. Die Feste, die
bei dieser Gelegenheit veranstaltet werden, locken mich nicht im geringsten; einen
Tag in unserem Steinorter Garten spazieren zu gehen, ist mir lieber als aller
Berliner Festlichkeiten.
Juli. ich mache mit meiner Schwester Schlieben, ihren beiden Töchtern und meinen Nichten Ysenburg einen Besuch in Dönhoffstädt. Die schönen Promenaden und der prächtige Park dieses Ortes bereiten uns einen köstlichen Tag. Am folgenden Tag begeben wir uns nach Heiligelinde, einem hierzulande berühmten Markte. Hier treffe ich eine große Zahl unseres Adels, darunter ziemlich lächerliche Persönlichkeiten, so eine Frau v. Hirsch, geborene Gräfin Geßler, die beschuldigt wird, ein paar Ohrringe gestohlen zu haben. Auch die Obermarschallin Gröben, geborene Gräfin Truchseß, ist da, eine reizende Dame, die am größten Hofe glänzen könnte. Der Ort liegt prächtig, und wir gehen lange darin spazieren. Anderen Tags gehe ich mit meinem Schwager und meiner Schwester nach Prassen zu einem Freiherrn Eulenburg. Dieses Gut ist gleichfalls sehr hübsch. Abends begeben wir uns wieder nach Dönhoffstädt, und Tags darauf kehre ich mit Vergnügen nach Steinort zurück, wo es mir doch immer am besten gefällt.
10. Juli. Herr von Klinkowström, Hauptmann im Regiment Lehwald, ein sehr
achtungswerter Mann, den ich seinerzeit als Adjutanten des Prinzen Heinrich kennengelernt hatte, besucht
mich. Er erzählt mir, er plane eine Reise nach Polen und besonders nach Bialystok, der Residenz des Großhetmanns Branicki, des Schwagers des Königs von
Polen. Kurz entschlossen erkläre ich mich bereit, ihn zu begleiten. Graf
Schlieben macht die Reise mit. Die
erste Nacht bleiben wir in Lawken,
einem königlichen Amt bei Rhein. Die
dortige Amtmännin Scholtz nimmt uns
sehr freundlich auf. Ihre Tochter, die nach sechswöchiger Ehe mit dem Jonas von Eulenburg, in erster Ehe verheiratet mit
Louise Wilhelmine Gräfon von Schlieben, vgl. Nachrichten über die Grafen
zu Eulenburg als Fortsetzung und Ergänzung des Urkundenbuchs, 1. Heft,
hrsg. von Emil Hollack, Magdeburg 1889, S. 71.
[Schließen]Baron von Eulenburg auf Romsdorf sich von
diesem hat scheiden lassen, ist eine recht sonderbare Person. Sie unterhält uns
mit der Erzählung ihrer sämtlichen Abenteuer mit ihrem Baron. Wir reisen weiter,
passieren den Durch einen engen Kanal ist der Spirdingsee mit dem Nikolaiker See, dem Beldahnsee und dem
Lucknainer See verbunden.
[Schließen]Spirdingsee und den neuen Kanal, der dem Lande von geringem Nutzen zu
sein scheint, und übernachten dann in Arys,
einer kleinen Stadt an der polnischen Grenze, die noch zu Preußen gehört und
eine Garnison vom Regiment Malachowski hat. Wir logieren beim Bürgermeister. Am
folgenden Tag kommen wir mittags in Bytschkowo
[Schließen]Bentschkowo in
Polen an. Das Gasthaus gehört
einem Edelmann. Wir sehen Siehe Pogoda, Alfred, Das Bosniakenregiment des
Generals Freiherr von Günther, in: „Unser Masuren-Land“.
Familienkundliche und regionalgeschichtliche Beiträge aus der
Heimatbeilage der „Lycker Zeitung“ 1936 bis 1939, Bd. 2, S.
714-727.
[Schließen]Towarzys darin, eine Art polnischer Miliz, die sich hier noch immer erhalten hat.
Ich finde Polen in einem viel besseren Zustande, als ich es mir gedacht hatte.
Die Felder sind gut bestellt, die Herbergen ziemlich sauber und das Volk sehr
dienstfertig. Wir übernachten in Ossowez, wo der Amtmann, gleichfalls Jude, uns alle möglichen
Bequemlichkeiten verschafft. Er lässt und zum Übernachten eine Scheune recht
sauber herrichten. Am folgenden Tage überschreiten wird in Booten den Bobr,
einen ziemlich großen Fluss, und speisen zu Mittag in der polnischen Stadt
Knyszyn, einem abscheulichen
Nest mit Holzhäusern, die so leicht gebaut sind, dass man glaubt, der geringste
Wind müsse sie umwerfen. Regen und Schnee dringen überall durch, aber das Volk
ist daran gewöhnt und fühlt sich nicht unglücklich dabei. Die Juden verwalten
sämtliche Ämter. Vgl. Hanna, Georg-Wilhelm, Ministerialität, Macht und Mediatisieren. Die
Ritteradligen von Hutten, ihre soziale Stellung in Kirche und Staat
bis zum Ende des Alten Reiches Dissertation, Hanau 2007
[Schließen]Die Stadt gehört den Czapski, einer in Polen sehr angesehenen Familie, aber der
jetzige Besitzer ist aus dem Lande verbannt und seine Güter sind daher
ganz in Verfall. Nachmittags kommen wir nach Dobrzniew, seinem früheren Wohnsitz. Das Schloss samt der dazu
gehörigen Stadt bildet eine vollkommenen Ruine. Sämtliche Häuser sind
eingestürzt, und das Schloss, das ein schöner Bau im italienischen Stil war,
könnte jetzt ebenso gut in Herculanum stehen. Man sieht noch die Spuren eines
sehr schönen Gartens. Trotz der damit verbundenen Gefahr treten wir in das
Schloss ein, wo man noch schöne Skulpturen und Goldverzierungen sieht, die der
Zeit widerstanden haben. Die Bibliothek ist noch vollständig erhalten; es sind
hübsche Statuen, schöne Schränke und viele Goldverzierungen zu sehen, aber da
der Schlüssel dazu verlegt ist, so kann ich mir über die Auswahl der Bücher kein
Urteil verschaffen. Wir scheiden wieder von diesen Resten vergangener Pracht,
überschreiten nochmals den Bobr auf einer eine halbe Viertelmeile langen Brücke
und langen gegen 5 Uhr abends in Bialystok an. Die Alleen sind prächtig, Sobald man das Gebiet
des Großhetmanns Branicki betreten
hat, ist von der bekannten polnischen Liederlichkeit nichts mehr zu spüren. Die
Gebäude sind schön, und Vgl. Büsching, Anton Friedrich, Auszug aus
einer Erdbeschreibung. Erster Teil, welcher Europa und den nördlichen
Teil von Asia enthält. Hamburg 1771.
[Schließen]Herr Büsching hat recht,
wenn er diesen Ort das Versailles Polens nennt. Es ist eine schöne Stadt, die in mancher Hinsicht an Leipzig erinnert. Vor dem Rathaus ist ein
großer, mit einer Statue der Gerechtigkeit geschmückter Platz. Auf dem
Paradeplatz steht das Standbild des Mars. Die schnurgeraden und mit Bäumen
bepflanzten Straßen haben schöne Läden. Man findet hier fast alle Nationen
vertreten. Ich bin höchst überrascht, einen so hübschen Ort hier zu finden, der
sicherlich bekannter zu werden verdiente. Was zu dem Übrigen nicht passt, das
sind die Gasthäuser, die Juden gehören und denen es darum an den nötigen
Bequemlichkeiten fehlt. In unserer großen Betrübnis erfahren wir, dass der
Großhetmann abwesend ist und seine Gemahlin ebenfalls. Dieser ganze Hof hat sich
nach Wengrow begeben, um die
Konföderation gegen den König zu unterstützen. Wir müssen uns also mit dem
Vergnügen trösten, das uns die Besichtigung der Schönheiten dieses Ortes
bereiten wird. Der Kommandant, Oberst Zakrzewski, lässt uns sofort begrüßen, worauf wir ihn besuchen.
Er stellt uns seine Gemahlin und seine Tochter vor, die eine wahre Schönheit und
ein Muster guter Erziehung ist. Wir erfahren hier, dass eine junge Prinzessin
Poniatowski, eine Tochter des
Oberkammerherrn und Nichte des Königs, sich mit ihrer Gouvernante in Bialystok aufhält. Ich schicke sofort zu
ihr und lasse fragen, wann ich ihr meine Aufwartung machen könne. Unterdessen
begeben wir uns in den Park, und ich bin überrascht über seine Schönheit und
Großartigkeit und den Geschmack, der überall herrscht. Gebäude, Gärten, Alleen
und Kolonnaden, alles ist einer königlichen Residenz würdig. Der Park ist vor
allem so großartig, dass ich ihm in ganz Deutschland nur den Potsdamer und den
Kasseler vorziehen würde. Auf unserem köstlichen Spaziergang stoßen wir alle
Augenblicke auf neue angenehme Überraschungen. Mittlerweile hat die Prinzessin
hergeschickt und lässt uns begrüßen und für den folgenden Tag zum Diner
einladen. Der Kommandant hat die Freundschaft, uns zum Frühstück einzuladen. Um
11 begeben wir uns ins Schloss, die Janitscharengarde steht unter dem Gewehr,
und wir werden zu der jungen Prinzessin geführt. Sie ist ein reizendes Kind und
ihre Gouvernante, Frau Munier aus
Lothringen, eine feingebildete Dame. Man zeigt uns das ganze Schloss. Seine
prachtvolle Ausstattung ist ganz in französischem Stile gehalten; man glaubt
sich förmlich nach Paris versetzt,
wenn man diese reichen Möbel und diese Einrichtung der Zimmer vor Augen hat. Wir
verbringen diesen Tag sehr angenehm. Ich mache die Bekanntschaft des Herrn
Husarzewski-Postolniko, eines sehr
freundlichen Alten, sowie der Generale
Puschetti
(?) und Raucourt, die alle zum
Hofe des Großhetmanns gehören. Wir besichtigen das Opernhaus, das sehr hübsch
gebaut ist, sowie die prächtigen Lustschlösser im Park. Alles verrät eben den
großen Herrn. Er hat ja auch 1.200.000 Rubel an eigenem Einkommen ohne das, was
ihm seine Ämter und Starosteien einbringen; im Ganzen verfügt er demnach über
ganz gewaltige Summen. Der Kommandant macht uns den liebenswürdigen Vorschlag,
uns auch die übrigen Schlösser des Großhetmanns zu zeigen. Nachdem wir bei ihm
gefrühstückt und in Bialystok die
herrliche Kirche besichtigt haben, fahren wir zunächst durch eine sehr schöne
Allee nach Die Schreibweise des Ortes stimmt
nicht
[Schließen]Bisovistok. Es ist das ein nett ausmöbliertes niedliches Häuschen,
ringsum mit Lauben umgeben und darüber eine Plattform mit einer Galerie, von der
man einen prächtigen Blick ins Land hat. Überall herrscht größte Sauberkeit, was
ich in Polen von allem am wenigsten erwartet hätte. Von hier gehen wir nach
Choroszcz, einem zum Witwensitz
der Gemahlin des Großhetmanns bestimmten Schlosse, das anderthalb Meilen von
Bialystok entfernt ist und, obwohl in ganz anderem Stil gehalten, dem ersteren
an Pracht und Großartigkeit nicht nachsteht. Bevor man zum Schloss gelangt,
kommt man zunächst durch eine schöne Allee, an deren Ausgang man ein
Hauptgebäude und sechs Seitengebäude, je drei an jeder Seite, vor sich hat. Eine
Steinbrücke führt zum Eingang. Beim Eintritt in den Garten staune ich über den
reizenden Blick, den der Garten und besonders seine Perspektive dem Beschauer
bietet. Der ganze Garten war früher ein Sumpf, und er ist deshalb auch noch von
breiten Kanälen umgeben und durchzogen, auf denen man in reizenden Gondeln
spazieren fährt. Das Schloss ist nicht so groß wie prächtig. Seine innere
Einteilung ist vortrefflich. Es hat zwei Stockwerke. Das obere enthält die
Fremdenzimmer, während in den unteren die Räume ungefähr folgendermaßen verteilt
sind: Rechts und links vom Eingang ist je eine Garderobe, nach vorn liegt der in
grün und gold möblierte Mittelsaal mit chinesischen Figuren, an ihn schließt
sich rechts das Vorzimmer der Prinzessin an, das in Pekingseide mit gemalten
Blumen auf weißem Grunde gehalten ist, links das Vorzimmer des Herrn. Zwischen
den Vorzimmern und den Garderoben befindet sich auf beiden Seiten noch je ein
Nebenzimmer, das auf der rechten mit einer Nische. Die Seitengebäude sind alle
gut ausmöbliert und sehr praktisch eingerichtet. Nachdem wir unseren Rundgang
durch sämtliche Gebäude beendet haben, begeben wir uns zum Amtmann, der uns ein
sehr gutes Mittagessen vorsetzt. Nachher kehren wir wieder nach dem Garten
zurück, gondeln auf dem Kanal und besichtigen dann die sehr schöne Kirche, die
der Großhetmann ganz neu hat bauen lassen. Von dort gehen wir zur Fasanerie, die
über 100 Fasanen zählt und einen prächtigen Park hat. Hier befindet sich noch
ein weiteres hübsches Haus. Dann kehren wir nach Bialystok zurück und steigen am großen Park ab, wo wir die
junge Prinzessin und den ganzen Hof beisammen finden. Frau Munier, ihre Gouvernante, ist eine so
liebenswürdige und geistvolle Frau wie kaum eine zweite; ich unterhalte mich
lange mit ihr. Obgleich wir am folgenden Tage in aller Frühe abreisen wollen,
ladet man uns nochmals zum Diner ein, um uns noch eine Menge Dinge zu zeigen,
die uns entgangen sind. Am selben Abend speisen wir beim Kommandanten, Herrn
Zakrzewski, der uns ein
ausgezeichnetes Souper gibt, obgleich alle 10 Gerichte aus Kalbfleisch bereitet
sind. Von Wengrow sind Nachrichten
eingetroffen, nach denen der Großhetmann entweder nach Warschau weiterreisen oder zurückkehren
wird. Herr v. Klinkowström beschließt
deshalb, noch in derselben Nacht abzureisen, um ihn noch in Wengrow anzutreffen,
da er von dort nach Warschau weiterreisen will. Er verabschiedet sich daher von
uns und wir verbringen die Nacht noch im Weißen Schwan. Nachdem wir am folgenden
Tage nochmal bei unserem guten Kommandanten gefrühstückt haben, besteigen wir
den Wagen und durchstreifen alle die ungeheuren Parke, die eine Ausdehnung von
anderthalb Meilen haben und Hirsche, Damhirsche und Rehe in Menge beherbergen.
Dann fahren wir bei sämtlichen Kavalieren vor und besuchen auch eine Sängerin.
Wir dinieren bei der Prinzessin, und nachdem wir uns von ihr verabschiedet
haben, sehen wir noch den Tänzen junger Polen und Polinnen zu, die für ein
Opernballet eingeübt werden. Auch eine sehr schöne italienische Sängerin
besuchen wir noch. Sehr befriedigt treten wir dann unsere Rückreise an,
übernachten in Knyszyn,
überschreiten am folgenden Tag den Bobr bei Ossowez, wo wir zu Mittag speisen, und kommen abends in
Szcuyzyn
[Schließen]Schtschutschin an, einer kleinen Stadt an der preußischen Grenze, wo wir übernachten.
Ich besuche hier das Jesuitenkloster, mit welchem ein Kolleg verbunden ist, in
dem die polnische Jugend erzogen wird und das zur Zeit über 200 Schüler hat. Am
folgenden Tage kommen wir nach Drygallen, wo uns der Amtmann Saffran zum Kaffee einladet. Zu Mittag sind wir in Arys und abends in Lawken, wo wir bei der Baronin Eulenburg sehr gut aufgenommen
werden. Wir übernachten hier und fahren am folgende Tag zu einem Herrn v.
Foller, bei dem wir zu Mittag zu
speisen gedachten. Da wir aber bemerken, dass wir den Wirt in Verlegenheit
bringen, so steigen wir schleunigst wieder in unseren Wagen und speisen sehr
einfach im Rosengarten. Am 18. um 4 Uhr nachmittags lange ich wieder in
Steinort an und freue mich,
wieder glücklich zu Hause im Kreise meiner Familien zu sein. Mit köstlichem
Behagen genieße in die Reize des Landlebens. Nachts schlafe ich mit dem Grafen
Schlieben auf einer kleinen Insel,
die wir in der Mitte eines großen Sees haben. Es ist das die reizendste
Einsiedelei, die es nur geben kann; man hat hier das Gefühl, als sei man der
einzige Mensch auf der Welt. Den ganzen Vormittag fahren wir im Boot auf dem
weiten See umher und durchstöbern die Inseln, die darin liegen. Es handelt sich um den Pächter Columbus in
Amalienruh, vgl. LASA,
StA L, Bestand 21950 Familienarchiv Lehndorff, Nr. 270, Bl. 1. Sein
Verwandter Johann Daniel Columbus
war Waldhüter in Taberlack, GStA PK, XX. HA, Rep. 54 Gutsarchiv
Lehndorff-Steinort, Nr. 694.
[Schließen] Auf einer von ihnen hat ein Mann namens Collumbus eine ganz hübsche
Ansiedlung gegründet; er hat ein Haus gebaut, Felder hergerichtet und
einen Garten angelegt. Mit der Zeit können wir daraus eine Erhöhung unserer Einkünfte erzielen.
Nachmittags kommt meine Schwester mit
meinen Nichten zu uns herüber, die uns mitteilen, dass wir am folgenden Tag nach
Angerburg zum Diner zu Herrn v.
Gröben eingeladen sind. Diese
Nachricht kommt uns sehr unerwünscht, denn wir hatten vor, noch einige Tage in
unserer reizenden Einsiedelei zu verbleiben. Im Sommer 1706 war auf dem dortigen Werder ein
Gartenhaus erbaut worden, vgl. GStA PK, XX. HA, Rep. 54 Gutsarchiv
Lehndorff-Steinort, Nr. 316 (Vertrag von Maria Eleonora Gräfin von
Lehndorff mit dem Baumeister Hedaman, 18. Juli 1706).
[Schließen]Anderen Tags begebe ich mich daher nach Pristanien, kleide mich dort um und fahre mit meiner Mutter, die
von Steinort hergekommen ist, nach
Angerburg. Dort werden wir sehr
freundlich aufgenommen und ich mache da die Bekanntschaft der Offiziere vom
Regiment Tettenborn. Dieses Offizierskorps stellt das Berliner weit in den
Schatten. Generalleutnant Hans Heinrich von Katte, 1718-1741 Chef des in
Angerburg stehenden
Kürassierregiments Nr. 9, war vom preußischen König mit den Gütern
Reußen und Thiergarten belehnt worden. Im
Dezember 1734 verkaufte von Katte anscheinend das Gutshaus Reußen an den
polnischen Kron-Schatzmeister Grafen von Ossolinski (GStA PK, II. HA, Abt. 7 Ostpreußen und
Litauen Gen.-Dir. II Nr. 5722), vielleicht als ein mögliches Quartier
für den gestürzten König Stanislaus I.
Leszczynski von Polen, dem Friedrich Wilhelm I. in Königsberg Asyl gegeben hatte; 1734 und 1736 hielt sich
Stanislaus I., mit dessen Geleitschutz der preußische König von Katte
beauftragt hatte, auch in Angerburg auf und wohnte dort im Schloss. Graf
Franciszek Maxymilian von Ossolinski beherbergte im Gutshaus Reußen von
ca. April 1736 bis zum Aufbruch aus Angerburg in sein neues Herzogtum
Lothringen am 5. Mai 1736 Stanislaus I. Leszczynski eine Zeitlang und
folgte ihm später nach. Wahrscheinlich hat von Katte dann das Gut
zurückerlangt. - Für die Anmerkung danke ich Dr. Torsten Woitkowitz,
Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Zu Reußen: https://ostpreußen.net/ostpreussen/orte.php?stadt=45. - Das
Gutshaus in Ruska Wieś ist erreichbar über die Straße Przemysłowa, die
direkt in den Gutshof mündet (Gebäude Nr. 17).
[Schließen]Bei Angerburg sehe ich ein sehr hübsches Gut, das Reußen heißt und das König
Stanislaus einst verschönert und bewohnt hat.
August. In aller Ruhe genieße ich das Landleben. Ich reite aus, sehe bei der Ernte zu und fahre auf dem See spaziere, kurz, es gefällt mir in Preußen ausgezeichnet, und wenn Gott es so will, werde ich mit Freuden hier bleiben. Ich bekomme oft Briefe von Berlin. Was ist das doch für eine Welt der Aufregungen Editorische Auslassung [...] und ich freue mich unendlich, diese Tage in meiner Waldeinsamkeit tausendmal glücklicher zu verbringen, als wenn ich mit in diesem Trubel wäre. Der einzige Kummer, der mich plagt, ist der Gedanke, bald nach Berlin zurückkehren zu müssen, um der Feier der Vermählung der Prinzessin Wilhelmine beizuwohnen. Alle diese Feste haben nicht den geringsten Reiz mehr für mich, und schon der Gedanke, daran teilnehmen zu müssen, verdirbt mir die Laune.
Ich bleibe noch bis zum 24. August in Steinort im wonnigen Genusse der Einsamkeit. Dann reise ich mit meiner ganzen Familie nach Gerdauen, einem schönen Schlosse, das dem Grafen Schlieben, dem Bruder meines Schwagers, gehört. Hier wohnte früher eine Prinzessin von Hessen-Homburg, die mit dem Onkel des Grafen verheiratet war. Am folgenden Tag reise ich nach Sanditten. Unterwegs kommen wir durch einen dem Grafen Schlieben gehörigen Wald, in welchem das prächtige Schloss Georgnberg steht, das so einsam daliegt, dass es einen an die Zeiten der Einsiedler erinnert. Wir nehmen hier einen Imbiss ein und kommen dann nach Sanditten, einem prachtvollen Landsitz mit einem schönen, ganz modernen Schlosse mit geräumigen, sehr gut ausgestatteten Gemächern und einer wundervollen Aussicht auf weite, von den anmutigen Windungen des beständig mit Schiffen bedeckten Pregelflusses durchzogene Wiesengelände und auf die Stadt Wehlau jenseits des Flusses. Mit einem Wort, es ist ein wahrer Fürstensitz. Meine Schwester und ihr Gatte bewirten uns hier großartig. Wir haben immerfort gute Gesellschaft, besonders aus der nahen Garnison Wehlau, deren Zierde Frau v. Hirsch und Frau v. Buddenbrock bilden. Jeder Tag bringt eine Menge Zerstreuungen wie Jagd, Feuerwerke und Spaziergänge.
Am 31. begebe ich mich nach Königsberg, das noch 7 Meilen von Sanditten entfernt ist. Die Gegend hier ist reizend; immerfort kommt man an wohlhabenden adligen Gütern vorüber. Dieser Teil des Landes steht in nichts dem Herzogtum Magdeburg nach.
September. Bei meiner Ankunft in Königsberg bekomme ich ein lästiges
Schnupfenfieber, das mich drei Tage ans Zimmer fesselt. Der ganze Adel schickt
mir freundliche Grüße, und sobald ich wieder ausgehe, werde ich fortwährend zu
Gastereien eingeladen. Mittags speise ich bei der Oberburggräfin Kunheim, abends bei Herrn v. Pelet, am folgenden Tag zu Mittag bei
Marschall Lehwald und abends bei der
Gräfin Schlieben, am dritten Tag
bin ich beim General Kanitz und abends
nochmals bei der Gräfin Schlieben. Königsberg hat eine prächtige Lage, aber der Handel, für den
diese Stadt außerordentlich günstig gelegen ist, liegt darnieder, während er in
Danzig in höchster Blüte steht.
Das macht die Freiheit, deren sich letzteres erfreut. Der Erbteilungsrezess vom 1. Dezember 1777, nach
dem Landkeim in den Besitz Lehndorffs überging, in: GStA PK, XX. HA,
Rep. 54 Gutsarchiv Lehndorff-Steinort, Nr. 13, n. f.
[Schließen]Am Sonntag gehe ich nach Strittkeim, Landkeim, Lehden und Greibau, lauter Güter, die mir meine Mutter abtritt. Ich finde sie etwas heruntergekommen, aber meine Freude, mich wieder an
einem Ort zu befinden, wo ich geboren bin und meine erste Jugend verlebt habe,
ist darum nicht minder groß, und die Felder und die Gegend zu durchwandern, hat
für mich einen besonderen Reiz. Am folgenden Tage gehe ich nach Bledau, einem Gut, das dem Staatsminister
Korff gehört. Hier finde ich sehr
gute Gesellschaft, vor allem die reizende Tochter des Hauses, die mit viel Geist
und Talent ein Benehmen verbindet, das der Erziehung, die sie genossen, alle
Ehre macht. Ich verbringe hier einen recht angenehmen Tag und kehre dann mit
meinem Schwager Schlieben und Herrn v.
Klinkowström nach Königsberg zurück. Am folgenden Tag diniere
ich beim Präsidenten Domhardt und
abends beim Prinzen von Holstein,
einem sehr zuvorkommenden alten Herrn, der uns hier gut bewirtet. Nachher
besteige ich mit dem Grafen Schlieben sofort den Wagen, reise die ganze Nacht
durch und lange am Morgen in Sanditten an. Hier bleiben wir einen Tag, reisen am 10. nach
Gerdauen, und am 11. treffe ich
um 2 Uhr wieder in Steinort ein.
Betrübten Herzens sehe ich den Augenblick herannahen, wo ich wieder von meiner
Familie scheiden muss. Am 15. früh trete ich die Rückreise an, nachdem ich von
meiner Mutter rührenden Abschied genommen. Meine Schwester Schlieben und meine
Nichte Ysenburg begleiten mich bis Rössel, wo wir noch zusammen speisen. Dann steige ich traurig
in den Wagen und komme an demselben Tag noch in Heilsberg an, der Residenz der Bischöfe von Ermland. Der
jetzige ist ein Graf Krasicki, ein noch
junger und liebenswürdiger Herr, der sich aber fast immer in Warschau aufhält, da er ein großer
Günstling des Königs von Polen ist. Am anderen Morgen besichtige ich die
bischöfliche Residenz und fahre wieder weiter. Gegen 6 Uhr abends komme ich an
ein Jagdhaus, das dem Grafen zu Dohna-Schlodien gehört. Hier finde ich eine
recht herzliche Aufnahme. Die Grafen von Lauck und Schlobitten sind da.
Letzterer ist ein prächtiger Mann, ein welterfahrener, geistreicher und
interessanter Gesellschafter. Am folgenden Tage speise ich in der Gesellschaft
von 15 Dohnas, lauter vortreffliche und vornehme Leute, und gegen 5 Uhr abends
reise ich nach Schlobitten zusammen
mit dem Herrn dieses Ortes weiter. Unterwegs halten wir in Carwinden bei der verwitweten Gräfin Dohna,
die hier wohnt. Ich treffe da die Gräfin Sophie
Charlotte mit ihrer sehr liebenswürdigen Nichte. Auf letztere
habe ich einige Absichten, kann aber noch zu keinem Entschluss kommen. Ich
überlasse es der Vorsehung Gottes, mein Schicksal zu leiten. Nachdem ich in
Schlodien übernachtet, reise ich
am anderen Morgen früh weiter. In Elbing nehme ich bei einem Königlichen Rat den Kaffee ein, dann
fahre ich, die Nogat und die Weichsel überschreitend, durch den Elbinger und
Danziger Werder. Ich übernachte in einem sehr schlechten Gasthaus eine Meile von
Danzig und komme am anderen
Morgen um 8 Uhr in dieser Stadt an. Sofort gehe ich zu Kaufleuten, um mir Stoffe
zu einem Kleide für die Hochzeit des Prinzen von Oranien anzusehen. Dann mache
ich dem Starosten Korff einen Besuch
und soupiere beim russischen Residenten Herrn v. Rehbinder, der der höflichste Mensch ist, den ich kenne. Seine
Gattin ist eine ausgezeichnete Frau, und ihre Schwester, Fräulein v. Kalnein, trägt noch in besonderem Maße dazu
bei, die Gesellschaft recht angenehm zu gestalten. Diese vortrefflichen Leute
überhäufen mich mit Freundlichkeiten. Tags darauf speise ich beim Kammerherrn
Grafen Husarzewski, mache der Fürstin
Sanguszko einen Besuch und
soupiere ausgezeichnet beim Starosten Korff. Dieser ist ein Mann von Geist, und
seine Gattin, eine Engländerin, die ihm viel Vermögen gebracht hat, ist eine
sehr gute Frau. Sonntags gehe ich mit dem holländischen Residenten Herrn
Sonermann in die reformierte
Kirche, diniere in Oliva beim Abte
und soupiere nochmals beim Starosten Korff. Dienstag speise ich im Garten des
Herrn Zoermans, der mir die köstlichsten Früchte vorsetzt. Er ist einer der
geschicktesten Gärtner, die ich kennengelernt; er hat es fertig gebracht, hier
im Norden die ausgezeichnetesten Pfirsiche und Trauben zu pflanzen. Nachher
mache ich mit dem dänischen Residenten einen Besuch bei der Fürstin Sulkowska und soupiere nochmals bei unserem
guten russischen Residenten. Am 23. reise ich morgens von Danzig ab und komme am 24. um 7 Uhr morgens
in Stolp an, wo der Amtmann mir ein
hübsches Frühstück gibt. Ich übernachte in Köslin und komme am 25. mittags nach Naugard. Hier entschließe ich mich, über
Stettin zu fahren, wo ich am 26.
anlange. Ich speise am 27. beim Herzog von Bevern und verbringe den Abend mit meiner guten Schwester
Podewils, von der ich mich am 28.
wieder verabschiede. Am 29. mittags komme ich abgespannt und verdrossen in
Berlin an. In Preußen hatte ich stets eine gute und
angenehme Gesellschaft um mich, ging spazieren und lag meinen Geschäften ob.
Toilette war mir Nebensache. Jetzt befinde ich mich auf einmal wieder in einer
ganz anderen Lage. Den ganzen Tag muss ich mich mit Dingen abgeben; beständig
laufe ich umher und habe keine ruhige Minute für mich. Jetzt heißt es zunächst
an Luxussachen denken, selbst wenn man kaum das Notwendigste hat.
Der Prinz von
Oranien trifft am 2. Oktober ein. Zu den Vermählungsfeierlichkeiten
ebd., S. 84 ff.
[Schließen]Hier dreht sich alles um die Ankunft und bevorstehende
Vermählung des Prinzen von
Oranien. Die Prinzessin Wilhelmine scheint sich sehr zu freuen, und
ihre Hofmeisterin, Fräulein v. Danckelmann, kennt sich selbst nicht mehr, die Vorbereitungen
auf das große Ereignis nehmen sie vollständig in Anspruch.
Zitierhinweis
Tagebucheinträge von Ernst Ahasverus Heinrich Graf von Lehndorff. Mai bis September 1767. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail_doc.xql?id=lehndorff_cl3_c5y_rdb