Regest:
Die Karnevalszeit verbringt Lehndorff in Berlin. - Der Tod des Kurfürsten
von Bayern
„bringt das halbe Deutschland in Bewegung“ und lässt die Der Bayerische Erbfolgekrieg (1778/1779) wurde durch den Anspruch
Österreichs auf Niederbayern und die Oberpfalz ausgelöst, nachdem die
bayerische Linie der Wittelsbacher im Jahre 1777 ausgestorben war und
das Kurfürstentum Bayern an die pfälzische Linie fallen sollte.
[Schließen]Kriegsgefahr in den kommenden Monaten steigen. - Graf
Schwerin aus Wolfshagen kehrt mit seiner Familie „nach dreijährigem
Aufenthalt in unserem Hause“ auf seine Güter zurück; Lehndorff lässt
dessen Tochter von „einem gewissen Schmidt, einem Pastellmaler aus Dresden
“ malen. Schmidt gehört zur „Malerkolonie“ in Berlin: Graff aus Leipzig,
Tischbein aus Kassel, Campili aus Florenz,
die alle hier Beschäftigung finden. - Die Probleme des Neffen Schlieben, „der so hässliche Schulden
gemacht hat“, sind noch immer nicht aus der Welt. Lehndorffs Nichte
soll dafür in die Hausvogtei gebracht werden, wenn sie nicht fluchtartig
Berlin verlässt; er schickt sie
nach Wolfshagen zum Onkel seiner
Frau, Graf Schwerin. Der Neffe wird auf die Festung Magdeburg gebracht. - Am 4. März muss
Lehndorff bei der Kapitelsitzung des Johanniter-Ordens General Buddenbrock, den Kommandeur von Werben,
vertreten, der am Schlaganfall verstorben ist. - An den Dienstagabenden findet
bei Prinz Heinrich eine
„Dienstagsgesellschaft“ statt. - Am 10. April rücken alle
Regimenter aus der Berliner Garnison aus; zahlreiche „alte
Generale“ sind nicht mehr dienstfähig, weshalb ein „großes
Avancement in der Armee vor sich gehen“ wird. Lehndorff befürchtet
einen „Kanonenkrieg“ und kann nicht begreifen, „wie die
Mächte nicht eifriger sich bemühen, den Frieden zu erhalten“, zumal
sich ganz Europa in einer kritischen Lage befindet: „England ist gegen
Frankreich gereizt, die Türkei gegen Russland und wir gegen
Österreich.“ - Im Mai trifft der Herzog von Weimar inkognito in Berlin ein. Lehndorff begegnet dem Geheimen
Rat Goethe, den er als „sehr
lakonisch“ und „hochmütig“ empfindet: „Er dünkt
sich augenscheinlich zu sehr als Grandseigneur, um noch als Dichter zu
gelten.“ - Ende Mai beginnt er seine endgültige Rückkehr nach
Preußen vorzubereiten, die im
August erfolgen soll; Es wurde ihm gestattet, sein Gepäck
visitationsfrei von Berlin über Stettin nach Ostpreußen auszuführen,
vgl. StA L, Bestand 21950 Familienarchiv Lehndorff, Nr. 206
(Passierschein, datiert auf 1785).
[Schließen]die Übersiedlung soll „zu Schiff übers Meer“
erfolgen.
Zitierhinweis
Tagebucheinträge von Ernst Ahasverus Heinrich Graf von Lehndorff. Berlin, Januar bis Mai 1778. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail_doc.xql?id=lehndorff_g1d_23c_ydb