Ich befinde mich in einer sehr verdrießlichen Lage. Ich hatte schon alle Vorkehrungen getroffen, um nach Preußen zu reisen und schrieb an den König, um ihn um seine Erlaubnis zu bitten. Seine Majestät antwortet aber nicht, und ich schwebe darob in einer ganz unerträglichen Ungewissheit. Wie ist das Leben doch voll Bitterkeit! Nichts ist ärgerlicher, als wenn man sich beständig in allen seinen Unternehmungen gehindert sieht. Ich schreibe nochmals an den König und stelle ihm vor, dass eine 14-jährige Abwesenheit meine Verhältnisse dermaßen zerrüttet habe, dass meine Anwesenheit in Preußen unbedingt erforderlich sei. Wiederum keine Antwort! Wo bleibt da nun jener Edelsinn, von dem unter den Menschen so viel Aufhebens gemacht wird! Sind denn die Großen nur dazu da, um ihre Untertanen zu quälen, deren Herzen doch nur Liebe und Anhänglichkeit für sie hegen?

Zitierhinweis

Tagebucheintrag von Ernst Ahasverus Heinrich Graf von Lehndorff. Berlin, Februar 1764. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail_doc.xql?id=lehndorff_gfh_jjx_rdb