Berlin, den 4. Juni 1740

S. Königl. Majestät haben dero heldenmütige Zeit zu Potsdam den 31. Mai nachmittags h. 3 mit einer besonderen Resignation aufgegeben, auch den völligen Verstand bis an dero Ende behalten.

Von Höchstderoselben ist die Art und Weise des zu haltenden Leichenbegängnisses selbst schriftlich aufgesetzt und darin alles befohlen, dem auch dergestalt in allem nachgelebt werden wird, nämlich in einen schlichten einfachen Sarg, welcher schon fertig und oben gebracht gewesen, soll die Königliche Leiche gelegt und hiernach in den marmornen Sarg gesetzt werden, die ganze Garnison zu Potsdam soll dabei paradieren und  August Wilhelm war das elfte Kind des Königs Friedrich Wilhelm I. von Preußen aus dessen Ehe mit Sophie Dorothea und somit ein jüngerer Bruder Friedrichs des Großen. Er galt als wesentlich umgänglicher als sein Bruder und als Liebling des Vaters.
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Prinz Wilhelm
als Obristlieutenant ihre Züge mit anführen. Die jetzige Königliche Majestät aber nebst dem  August Ferdinand war der jüngste Sohn des Königs Friedrich Wilhelm I. von Preußen.
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Prinzen Ferdinand
der Leiche als Leidtragende folgen.

Es wird keine Leichenpredigt gehalten, sondern eine bloße Musique in der Kirche aufgeführt, auch ein   Trauerkapelle
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Castrum doloris
aufgeführt werden.

Aus hiesigem Zeughaus werden 24 Kanonen Geschwind-Schüsse nach Potsdam gebracht, deren jede 12 Mal abgefeuert werden soll, und zwar geschwind Feuer auf Feuer, wie Ihro Hochselige Majestät es selbst ordiniert.

Auf dem Sarg soll der beste Mundierungs-Degen nebst Echarpe und 1 paar vergüldete Sporen liegen, item ein vergüldeter Helm, das beste Mundierungskleid soll Ihro Majestät angezogen werden.

Vierzehn Tage nach dem Leichenbegängnis sollen im ganzen Lande Leichenpredigten gehalten werden über den Text: Ich habe einen guten Kampf gekämpft, und dabei das Lied gesungen werden: Wer nur den lieben Gott lässt walten.

Die Königliche Leiche wird indessen bewacht von Generalleutnant von Buddenbrock, Herrn Generalmajor von Waldow, 2 Obristen, 4 Capitains p. 8 Capitains vom Regiment sollen den Sarg auf den Wagen bringen und vor dem Altar niedersetzen, worauf sie sich gleich auf ihren Posten beim Regiment begeben.

Die Prediger sollen in deren Leichenpredigten Sr. K. Maj. weder loben noch tadeln.

Den 31. Mai um 6 Uhr des Abends wurden zu Berlin alle Landwehren gesperrt und niemand herausgelassen bis den 2. Juni gegen 9 Uhr abends. Den 31. Mai langte Sr. Königl. Majestät in Berlin an und traf darauf die verwittibte Königin Majestät. Die Herren General-Staatsminister und Räte vom Directorio versammelten sich noch denselben Abend auf dem Schlosse, S. Königl. Majestät aber blieben im Kronprinzlichen Palais und depeschierten die Estafetten.

Den 1. Juni sind alle hiesigen Regimenter von neuem vereidigt worden, und haben sich die Geheimbten Etats-Räte nebst dem ganzen General-Directorio früh um 7 Uhr auf dem Schlosse versammelt.

Des  Friedrich Wilhelm II. Herzog von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Beck, preußischer Generalfeldmarschall, ab 1732 Gouverneur von Spandau,
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Herzogs von Holstein
Durchlaucht langten mit dero Suite den 31. Mai abends um 10 Uhr in Berlin an. Sie haben fast eine Stunde halten müssen, weil der Offizier an der Landwehr solche Ordre zu haben vorgegeben, niemanden außer der Königin Majestät einpassieren zu lassen, vermutlich aus einem Missverstand, weil der König ihm zu folgen befohlen, auch sofort wegen der Einlassung Ordre gegeben.

Mit S. Königl. Majestät sind nach Berlin gekommen Herr Capitain v. Borch, v. Hacke, v. Winterfeld.

 Schon längere Zeit hatte der König an Gicht- und Podagraanfällen gelitten und musste sich im Rollstuhl fortbewegen.
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Des höchstseligen Königs Majestät sind noch den 31. Mai bis gegen die Parade-Zeit auf dem Rollwagen herumgefahren
, und haben von allen beweglich Abschied genommen, insonderheit vom alten Fürsten Dessau, der den 30. Mai nachmittags um 3 Uhr auf eine erhaltene Estafette in Potsdam angelangt, und haben S. verstorbenen Königlichen Majestät großes Verlangen bezeugt, Ihro Durchlaucht noch zu sprechen, sagend: Der alte Fürst wäre ihr alter guter Freund. Sie haben auch alle dero Pferde vorführen lassen, wovon der alte Fürst sich eins aussuchen müssen, welches mit einer kostbaren Chabraque belegt und ihm geschenkt worden. Eine halbe Stunde vor dero Ende haben sich alle Bedienten in der neuen Mundierung vor dem Bette einfinden müssen, welche Höchstdieselbe betrachtet und dabei gesagt: Eitelkeit.

Sie haben öfters gesagt, wie lange es noch dauern würde? Da denn der neue Regiments-Feldscher Pietsch die Puls begriffen und gesagt, eine Stunde würde es noch dauern. Nach Verfließung einer halben Stunde haben S. Königl. Majestät wieder gefragt: Wie lange nun noch? Noch ein Halbstündchen. Woher er solches wisse? Aus der Puls, denn die zöge sich schon zurück und hätte an der Hand aufgehört. Worauf der König gerufen: Nun mein Gott! Erlöse mich bald. Wir wollen beten und singen, quod factum insonderheit von dem Prediger Oesfeld, der ihm laut zugerufen. Indessen habe der König mit der Brust stark gearbeitet und nach Verlauf der halben Stunde 2 mal stark aufgeröchelt, worauf das Ende da gewesen.

Es folgt eine Beschreibung der Ankunft der königlichen Familie in Charlottenburg am 1. Juni. Am 2. Juni trafen die Etats-Minister mit Ausnahme des unpässlichen Herrn von Cocceji ein und wurden von Herrn von Thulmeyer „in Pflicht genommen“. Der Kriegsrat von Eckhardt in Preußen wurde per Kabinettsordre aufgefordert, seinen Adelsbrief, das Gnaden-Kreuz und alle Briefschaften zurückzugeben, da ihm die Dimission erteilt sei. Das Berliner Haus wurde ihm entzogen.

In Charlottenburg ist es so voll Leuten aus Berlin, das alles wimmelt, und haben völlige Freiheit, sich überall zu divertieren.

Es sind durch  Am 3. Juni 1740 hatte der König das Edikt erlassen, dass „alle Anwartungen auf Lehne oder andere Güter, wenn solche nicht reellement bereits in Besitz genommen, aufgehoben seien, dergleichen auch hinkünftig nicht eher, als dies Lehen oder Gut wirklich vakant, gesucht werden soll“, vgl. Mylius, Christian Otto, Corpus Constitutionum Marchicarum ..., Continuation I, II. Teil, 5. Abtlg., Nr. XIX.
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Kabinettsordre alle Anwartungen auf Lehen und Präbenden in Stiftern kassiert worden.

Der Herr Geheime Finanzrat Schmaltz ist nach der Neumark gegangen, um den Untertanen Brot, Saat- und Futterkorn zu verschaffen. Allhier war selben Tag, als den 31. Mai, fast kein Brot vor Gold zu bekommen,  Siehe hierzu die Gesetzgebung ab Sommer 1740 in: Mylius, Corpus Constitutionum Marchicarum ..., Continuation I, V. Teil, 5. Abtlg.
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numehro aber sind die Anstalten gemacht
, dass die Bäcker vor 1 Rtlr. den Scheffel soviel Korn als sie wollen bekommen können. Enfin, die ganze hiesige Welt ist voller Freuden.

Von den neuen Chargen bei dem Hofstaat wird viel Neues debattiert, man kann aber noch nichts gewisses davon versichern.

Die Trauer soll den 15. Juni angelegt werden. Herr Baron von Pöllnitz haben das  Reglement wie sich ein jeder mit der Trauer zu versehen habe. Berlin, 1. Juni 1740. Liegt dem Dokument als Anlage bei.
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Reglement
aufgesetzt, welches künftig völlig kommunizieren kann.

Heute wird die Königliche Leiche in Potsdam beigesetzt, nachdem sie heute den ganzen Tag auf dem Parade-Bette zu sehen gewesen.

Gestern ist auch eine  Diese Kabinettsordre ist im „Mylius‟ nicht aufzufinden.
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Kabinettsordre
gekommen, dass S. K. Majest. die Anwartungen auf Amtshauptmannschaften gänzlich aufheben, und mit Suchung dergl. Anwartungen auf Amtshauptmannschaften nicht behelligt sein wollen.

Morgen Vormittag werden S. Königl. Majest. den Oberhofprediger Jablonski im Dom hören und nachmittags den Probst Reinbeck in der Petri-Kirche.  7. Juni
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Künftigen Dienstag
als den 3. Feiertag k. 10. Mate.(?) sind sämtliche Bediente des General-Direktorii von der Kurmärkischen Kammer und Oberrechenkammer bestellt, um den Eid der Treue abzulegen.

Berlin, den 4. Juni 1740, abends

Die Königliche Leiche ist bereits heute beigesetzt und ist solche von 12 Capitains bis in die Gruft getragen worden, von Dero Durchlaucht dem Herzog von Holstein, Generalleutnant v. Platow, v. Buddenbrock, Waldow, Marwitz aber eingesenkt worden.

Denselben Tag, den 31. Mai, da S. K. Majest. von Potsdam nach Berlin gekommen, haben Höchstdieselbe bei Ihrer Ankunft in Berlin Ordre gegeben, Wachsfackeln und Portechaisen fertig zu halten, um die verwittibte Königin Majest. bei ihrer Ankunft in Berlin zu empfangen, und mit Fackeln in Dero Zimmer zu begleiten. Ferner ist anbefohlen worden, 2 große Tafeln mit schönen Confitures und Erfrischungen auf das Beste zu besetzen, und der verwittibten Königin Maj. damit zu bewirten. Diese Tafeln sollen auch tagtäglich vor Ihro Königl. Majest. gehalten werden.

Alle Stabsoffiziere sollen außer Herrendienst in voller Trauer gehen, in Herrendiensten aber mit ordinärer Mundierung und nur einen Flor um den Hut, Arm und Degen tragen.

Die Sterbe-Kantons werden zwar nicht gehoben, sondern diejenigen Leute, welche einrangiert werden können, sollen beibehalten, die anderen aber befreit werden.

Zitierhinweis

Tagebuchnotiz. Berlin, 4. Juni 1740. In: Lebenswelten, Erfahrungsräume und politische Horizonte der ostpreußischen Adelsfamilie Lehndorff vom 18. bis in das 20. Jahrhundert. Bearbeitet von Gaby Huch. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 2019. URL: https://lebenswelten-digital.bbaw.de/dokumente/detail_doc.xql?id=lehndorff_kyx_xsf_vbb