N. N. an Carl Meinhard Graf von Lehndorff. Königsberg, 1. April 1861
Verspätete Antwort auf Lehndorffs Brief vom 18. März, in dem dieser um dessen
Meinung zur Notwendigkeit eines Gesetzes über die Ministerverantwortlichkeit
bittet. Da man, wenn überhaupt, doch sehr spät erst zur Beratung wegen
eines Gesetzes über Ministerverantwortlichkeit kommen werde, habe er
sich erst wichtigeren Geschäften gewidmet. Er beleuchtet die Frage, ob durch die
Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1856, insbesondere durch § 61, ein solches
Gesetz notwendig sei. Das Prinzip der Ministerverantwortlichkeit ist der
englischen Verfassung entlehnt und hängt mit der historischen Entwicklung
derselben zusammen. Man könne es nicht vorbehaltlos auf die Zustände eines
anderen Landes übertragen. In Frankreich habe man ein solches Gesetz nicht
zustande gebracht. Es sei ein konstitutioneller Schnörkel. § 61
der Verfassung würde alle Fälle einer Ministeranklage regeln, ein weiteres
Gesetz erscheine ihm überflüssig. Die Minister sind Untertanen des Königs
und des Staates wie wir alle, und ihre Handlungen werden daher, soweit sie
Verbrechen enthalten, für strafbar erklärt. Dieses Gesetz könnte
höchsten dazu führen, dass man politische Handlungen, die nicht strafrechtlich
relevant sind, zu solchen stempelt. Auf keinen Fall wäre ein
solches Gesetz ein Schutz für den Erhalt der Verfassung. Er behält sich weitere
Äußerungen vor.